Es war die Nachmittagsstunde in der Erntezeit, und die Grossmutter hatte gerade den Schnittern das Brod zum Abendtrunk in den Handkorb gepackt, als ein hausierendes Lebkuchenmädchen bei ihr eintrat, und da man ihr nichts abkaufte, um ein Nachtlager bat. Die Hausfrau schlug es ihr nicht ab, hiess sie aber mit heraus aufs Feld kommen zum Garbenlegen. So erreichten sie beide, das Mädchen und die Grossmutter den schmalen, ersten Fusssteig, achtsam, kein Gräschen zu beiden Seiten niederzutreten. Die Grossmutter bedächtig voran, hie und da eine Frage an das Mädchen richtend, dieses hinterher, höflich antwortend und dienstfertig den Handkorb auf dem Kopfe tragend. Nun wohin denn? dahin geht ja der Weg, sagt die Frau, als sie einmal nach dem Krämermädchen umblickt und gewahrt, wie dieses den Fussweg verlassen hat und weitab über einen Acker will. „Ach! schreit das Mädchen, habt Ihr den Mann nicht gesehen? wie habt Ihr doch über ihn hinschreiten können? Mich hat es vor Grausen auf die Seite gedrückt; dort hinter Euch im Fusswege liegt er wie tot!" Die Frau sah zurück, rief, Herr Jesus Gott! und besegnete sich, denn sie sah nun wirklich einen Mann im Steige liegen, über den sie eben wie blind hinweg geschritten war. „Den Mann da muss ich wohl kennen", sprach sie dann gefasster, „den hat mir mein Grossvater oft beschrieben, und gerade so sieht der aus. Wie liegst du jetzt noch hier, du schlechter Mann! Wie er heisst, das darf man nicht aussprechen; aber dort auf dem Acker hat er seinen Nachbar mit der Spatenschaufel erschlagen und ihm das Gut gestohlen, und niemand hat nur einen Mucks tun dürfen, denn er war Meister im Dorfe. Bewahre uns der Herr vor solchem Gräuel! lass uns gehen, denn es hilft nichts, Erde auf ihn zu werfen."
So erzählte dasselbe Lebkuchenmädchen nachher in der Nachbarschaft die Begebenheit weiter.
E. L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 2, Aarau 1856
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch