’s Todtebeindli (Original)
’s isch einisch e künig gstorbe; si frau und zweü chind sind no am læbe blibe, es meiteli und es büebli. do händ se einisch d mueter gfrogt, weles vo ene dass einisch mües künig werde. do seit se zue-n-ene „liebi chind, gœnd jetze zämme i wald usse, und suechet das blüemli, wo-n-ech do zeige, und das, wo’s von ech zerst findt, das mues einisch künig wärde.“ do sind die zweü zäme gange, und im wald sind se bim sueche echli ussenand cho, und ’s meiteli het ’s blüemli z’ erst gfunde. do denkt’s, es well sim brüederli no-n-e chli warte, und lit næbem wald i schatte, nimmt ’s blüemli i’d hand und schloft i gotts namen i. der wile chunt ’s büebli au a das örtli, aber ’s blüemli het er nonig gfunde gha. wo-n-ers do aber im händeli vo sim schwösterli gse het, so chunt em öbbis schröckeligs z sinn, „i will mis schwöschterli ermorde und em ’s blüemli neh, und hei goh mit, und und denn wird i künig?“ denkt und tho. er hets tœdt und im wald verscharret und härd drüber deckt, und kei mönsch het nüt dervo gwüsst. no mengem mengem johr isch e hirtebüebli dert uf der weid gsi mit sine schœflene, und findt es todtebeindli am bode vo dem meiteli; do macht er e paar löchli dri wie am-e-ne flötli, und blost dri. da het das beindli gar erschröckli trurig afoh singe de ganz gschicht, wie ’s meiteli vom brüederli umbrocht worden isch: me het mœge de hälle thræne briegge, wemme das lied ghœrt het. do goht einisch, wo das büebli so gflœtet het, e ritter dert verbi: dä het em das flötli abgchauft und isch dermit im land umme zoge, und het an allen orten ûf dem beindli gspillt. einisch het do au die alte künigi dem ritter zueg’lost, und isch ganz trûrig worde, und het der sohn abem thron gstosse und briegget ehrer læbtig.
Das Totenbeinchen (Übersetzung)
Einmal ist ein König gestorben; seine Frau und zwei Kinder blieben am Leben, ein Mädchen und ein Junge. Da fragten sie einmal die Mutter, welches von ihnen denn einmal König werden solle. Da sagte sie zu ihnen: „Liebe Kinder, geht miteinander in den Wald hinaus und sucht das Blümlein, das ich euch hier zeige, und wer von euch es zuerst findet, soll einmal König werden.“
Da gingen die beiden miteinander, und sind im Wald ein bisschen auseinander gekommen, und das Mädchen hat das Blümlein zuerst gefunden. Da dachte es, es wolle noch ein Weilchen auf sein Brüderchen warten und legte sich neben dem Wald in den Schatten, nimmt das Blümlein in die Hand und schläft in Gottes Namen ein. Inzwischen kam das Büblein auch an dieses Örtchen, aber das Blümlein hatte er noch nicht gefunden. Als er es aber im Händchen seines Schwesterchens erblickte, kam ihm etwas Schreckliches in den Sinn. „Ich will mein Schwesterlein ermorden und ihm das Blümlein nehmen und heimgehen damit, und dann werde ich König.“ Gedacht – getan. Er tötete und verscharrte es im Wald und deckte es mit Erde zu. Kein Mensch wusste etwas davon.
Nach vielen, vielen Jahren war ein Hirte mit seinen Schäfchen dort auf der Weide und fand ein Totenbeinchen von dem Mädchen auf dem Boden. Da machte er ein paar Löchlein drein, wie bei einer kleinen Flöte. Und als er hineinbläst, fing das Beinchen gar schrecklich traurig zu singen an, die ganze Geschichte, wie das Mädchen von seinem Brüderchen umgebracht wurde. Man musste helle Tränen weinen, wenn man das Lied hörte. Einmal kam ein Ritter vorbei, als das Büblein so flötete. Er kaufte ihm die Flöte ab und zog damit durch das Land und spielte auf der Flöte. So hörte ihn auch die alte Königin einmal. Dabei wurde sie sehr traurig und sie stiess den Sohn vom Thron und weinte ihrer Lebtag lang.
E. L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 2, Aarau 1856
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.