Der Gemeindebann der beiden Fricktaler-Ortschaften Wölfliswil und Wittnau stiess von jeher aneinander, es waren aber an manchen Stellen die beiderseitigen Bannmarken schon lange verschwunden. Um dies nach der Weisung der alten Markbeschreibungen, die man jetzt noch besitzt, wieder in Ordnung zu bringen, erschienen eines Tages beide Gemeinden auf der Grenze und setzten gemeinsam die frischen Steine, so nämlich, dass diese einer zum andern in schnurgerader Richtung auf den Kirchturm von Wittnau hinliefen. Der gegenwärtige Lauf der Marken von Wölfliswil ist aber ein ganz anderer geworden und widerspricht den urkundlichen Bestimmungen durchaus. Daran ist der Bowäldler schuld, ein Mann, der damals Sigrist und Gemeindeammann von Wittnau war. Er grub schon in der folgenden Nacht die neugesetzten Marken zu Gunsten seiner Gemeinde wieder aus und stellte sie so, dass den Wölfliswilern ihr Bannteil um viele Jucharten geschmälert war. Als sie dagegen klagten und einen gerichtlichen „Augenschein" verlangten, fand sich an der Stelle ihres ersten Weissteines bereits ein großer Birnbaum ausgewachsen, den der betrügerische Feind hier eingesetzt hatte, und dadurch war die sichere Richtung für alle folgenden Marksteine unterbrochen. Den Wölfliswilern verblieb die Einbusse, dem trügerischen Ammann aber von da an der Schimpfname Bowäldler. Als darüber sein Gewissen erwachte, fand man ihn einst erhängt an den Stricken der Kirchenuhr. Daher neckt der Wölfliswiler einen ihm begegnenden Wittnauer jetzt noch mit dem Grusse: „Hängt der Bowäldler noch am Zeitstein oben?“ Auch Örkensünder und Balmerainsünder schilt man sich, weil der Ammann die falsche Markung über jenes Gemeindeland von Wölfliswil hingeführt hat, welches die Örkenhalde und der Balmenrain ist; und solcherlei Namen führen zwischen beiden Dörfern öfters zu hitzigen Raufereien.
Der Bowäldler muss auf allen diesen Stellen umgehen. Im Walde begegnet er den Leuten als Jäger, grün gekleidet und mit breitem Hute; dabei ist seine Frechheit noch immer so gross, dass er gegen manchen Wölfliswiler schon das Gewehr gefällt hat, als wollte er ihn erschiessen. Ruft man „Hop-Hop!“ in den Wald hinauf, so ist er oft plötzlich zur Hand und schleppt den vermessenen Schreier in den Örkenbach.
Quelle: E. L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 2, Aarau 1856
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch