Als der Feind einst von dem Fricktaler Dorfe Schupfart aus gegen das Schloss Homburg anrückte, auf dem gleichnamigen Juraberge bei Wittnau gelegen, nahm er alle Bauern, die er auf seinem Wege traf, gefangen und stand also unangemeldet plötzlich vor der überraschten Burg. Der Schlossherr sah sich ausser Stand, die Verteidigung zu wagen, aber auch an ein Entrinnen war nicht mehr zu denken, denn bereits war jeder geheime Ausweg von der Übermacht umzingelt. Hierauf versammelte er seine Leute und erklärte ihnen, er wolle sein Leben für sie alle einsetzen, und nur so lange, bis dieses geschehen, möchten sie die Burg noch zu halten suchen; werde er darüber zu Grunde gehen, so stehe es bei ihnen, dem Feinde unverweilt das Tor zu öffnen. Er bestieg seinen schneeweissen Schimmel und tat folgendes Gelübde: Auf derselben Stelle, die er im Sprunge mit seinem Ross erreiche, wolle er eine Kapelle bauen und ihr so viel an Ewiggeldern vergaben, dass sie bis auf fernste Zeiten zum Angedenken seiner eignen Rettung erhalten bleiben solle. Alsdann ritt er bis auf den Rand des Walles hinaus, unter welchem der Homberg in einer ununterbrochenen Steile abfällt bis an die Sohle des Wittnauertales. Hier setzte er über den jähen Berg und durch den Hochwald hinab, und erst auf einem Hügel in den Feldern oberhalb Wittnau fasste sein Schimmel wieder Fuss. Alsbald sammelte er die Bauern um sich, fiel dem Feind listig in den Rücken und befreite Burg und Mannschaft. Auf dem Platze, auf dem er gerettet mit seinem Rosse gehalten hatte, ist dann die versprochene Kapelle errichtet worden. Sie ist heute noch in gutem Stande. Das Altarbild stellt den Ritter auf seinem Schimmel vor. Da aber das Patrocinium der Dorfkirche zu Wittnau in der Ehre des hl. Martinus steht, so erzählen einige Leute, jener Ritter sei der hl. Martinus selber gewesen und in dieser Kapelle sei sein echtes Ebenbild zu sehen.
Anmerkung: Die in der Sage erwähnten Orte liegen im Kanton Aargau, die Ruine der Homburg liegt jedoch ca. 12 km südwestlich bei Läufelfingen im Kt. Baselland
E. L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 2, Aarau 1856
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch