Oberhalb dem Fricktaler Dorfe Maisprach kommt man durch die Waldung des Jura zu einem wenig bekannten Bade; noch einige Gänge höher zu Berge, und man steht vor dem Herrlichkeitsstein und seiner großen Höhle, die über fünfzig Schritte weit und so hoch im Felsen fortführt, dass ein Mann aufrecht darin umhergehen kann. Hier grenzt das Baselland an den Aargau, darum halten sich auch die Heimatlosen häufig hier auf, wo sie leicht der einen Kantonspolizei entgehen, wenn sie der andern nicht mehr ausweichen können. Zehn Jahre lang soll eine ganze Schaar unentdeckt hier gewohnt haben; als sie der Bannwart vor zwei Jahren antraf, hatte er sich mit seinem Knotenstock gegen ihre Messer lange zu wehren, so sehr fürchteten sie, durch ihn den Landjägern verraten zu werden. Neben dieser Höhle zieht sich noch eine zweite schief in den Berg hinab, welche man erst einige hundert Fuß weit untersucht hat. Diese ist noch verrufener; sie heißt von dem Betrüger her, dessen Geist nun in ihr hausen soll, die Gleichaufshöhle. Er war Klosterverwalter des Stiftes Olsberg und geriet über den Besitz eines Waldes mit der Gemeinde Magden in Streit. Vor Gericht erklärte er den Bauern: „Es geht alles gleich auf; was Ihr da auf einer Seite zu wenig habt, kommt uns auf der andern zu gut; es geht also alles gleich auf!“ Er bestach auch die Richter, bestritt die Aussage der gegnerischen Zeugen, und so verloren die Magdener den ganzen Waldberg, der dann dem Klosterstifte zugesprochen wurde. Sie nannten seitdem den Verwalter nur den Gleichauf. Es half ihm aber nicht lange. Das Stift wurde aufgehoben, und der Wald gehört heutzutage zum Hofe Iglingen. Was aus dem Gleichauf geworden ist, das hat der Mähder einst gesehen, der nachts in hellem Mondschein von seiner Wiese nach Iglingen heimging. Oben vom Herrlichkeitsstein her kam unter starkem Lärm ein doppelter Fuchs den Wald herab. Mit feurigen Augen lief er heulend allen Marken und Rainen nach von einem Grenzstein zum andern und strich im Dampfe wieder seiner Höhle zu. Das ist der diebische Klosterschaffner, und so muss er jede Mitternacht seinen Grenzfrevel ablaufen.
E. L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 2, Aarau 1856
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.