Der Junker von Wartburg wohnte auf den zwei Schlössern, welche jetzt die Sälischlösser heissen und in Ruinen liegen auf den beiden Nachbarbergen, an denen die Strasse von Olten nach Aarburg vorbei führt. Er hatte eine Tochter, die aus lauter Eitelkeit wohltätig und aus Stolz herablassend tat; deshalb sagte sie auch sogleich zu, da sie einmal von einer armen Mutter in Schöftland zur Taufpatin gewonnen wurde. In einer prächtigen Kutsche, mit vier weissen Rossen bespannt, kam sie von der Wartburg im Dorfe Schöftland angefahren und gab den Befehl, die Glocken alsbald zur Taufe zu läuten. Zu gleicher Zeit aber liess sie endlose Stücke feinen roten Tuches aus ihrer Kutsche abwinden und vom Hause des Täuflings hinweg bis zur Kirchentüre die ganze Gasse damit belegen. Weil nun die Dorfbuben alle schon auf den Kirchhof voraus gelaufen waren, um dorten von der Mauer herunter bequemer zuschauen zu können, wenn die in Seide und Edelstein funkelnde Patin zur Kirche herein prunken werde, so fanden sich nicht gleich Hände genug, um die Tücher alle über die Strasse zu breiten. Es waren etwa noch hundert Schritte bis zum Ziele unbelegt, und da gerade hörte der ermüdete Sigrist im Turme schon zu läuten auf.
So höret denn in Teufels Namen auf! sprach das Fräulein entrüstet, als die Glocken plötzlich schwiegen; denn das gilt heute noch für Patin und Täufling für ein gar schlimmes Vorzeichen, erst nach dem Geläute in die Kirche einzutreten. Aber kaum war ihr das böse Wort aus dem Munde, so stellte sich ihr ein mächtig grosser schwarzer Hund in den Weg und liess sie keinen Schritt mehr vorwärts. Die Leute mussten sie zuletzt in ihre Kutsche hinein heben, um sie nur vom Flecke zu bringen. Das Kind kam ungetauft in sein Bettchen zurück, die Patin aber als Leiche in ihr Schloss heim. Nun geht jener schwarze Hund noch immer im Dorfe zu gewissen Zeiten herum, und eben so lässt er sich auf den Bergen der Sälischlösser und jenseits Aarburg auf dem Bornberge sehen; dorten aber muss er der Wartburgerin einen Bund Schlüssel zu den Schätzen nachtragen, die in den Ruinen der zwei Sälischlösser verborgen liegen.
Quelle: Ernst L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 1 Aarau, 1856
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch