Vor einigen zwanzig Jahren hörte man allemal, wenn ein Landregen kommen wollte, in der Mühlimatte ein nächtliches Rufen, wie wenn man die Kühe anzulocken pflegt, und ganz genau unterschied man dabei die regelmässig wiederholten Worte: se se se! Chom, se se se!
Man meint, das sei immer der Hilferuf eines armen Knaben gewesen, der hier vor langer Zeit zu Grunde gieng. Er hatte das Vieh des reichen Bauern zu treiben, bei dem er wenig Essen und viel Schläge bekam. Die ganze Weide lag hart an der Aare und doch sollte er verhüten, dass keine Kuh zu nah an das reissende Wasser gehe. Einst sprangen ihre zwei zusammen davon und dem Flusse zu; der Knabe eilte ihnen mit seinem Lockrufe nach. Als er aber sah, wie beide von den Wellen gefasst versanken und der fürchterlichen Strafe daheim gedachte, stürzte er sich nach und ertrank mit ihnen.
In jenen Jahren führte noch eine bedeckte hölzerne Stadt-Brücke über die Aare. Mehrere Wäscherinnen mit einander hatten sie um Mitternacht zu passieren, um die Wäsche für ein vornehmes Haus einzuweichen. Mitten auf der dunkeln Brücke begegneten sie zwei Priestern, die beide zwei Schritte weit aus einander zusammen gleichmässig einher gegangen kamen und fortwährend mit Haselruthen um sich hieben. Zwischen sich transportierten sie so jenen Geist der Mühlimatt, der hier den Weg unsicher gemacht hatte. Die Wäscherinnen mussten, um vorbei zu kommen, den zwei Männern unter ihren Stöcken durchschlupfen. Der Geist wurde auf den Galgenhubel am Rombach geführt, wo man jetzt noch die Fasnachtfeuer anzündet, und dorten in einer Flasche vergraben.
Quelle: Ernst L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 1 Aarau, 1856
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch