Der Uristier an der Reuss

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Am oberen Theil des Reusslaufes trieben Hirtenknaben die Ziegen ins Gebirg. Bei Nichtsthun und Spiel kommt es ihnen in den Sinn ihren Ziegenbock zu taufen, der als besonders mächtig und gross ausgezeichnet war. Gleich darauf wird das Thier so unbändig und wild, dass er die Herden auf den Alpen zerstreut und tödtet, die Hirten in die Flucht jagt und bis ins Thal Verderben bringt. Nun wird ihnen gerathen, einen Ochsen gross zu ziehen, und ihm von einem kleinen Mädchen täglich das Futter reichen zu lassen. Habe das Kind sein siebentes Jahr erreicht, so müsse es denselben an einem dünnen Faden auf die Alpe führen. So geschah es; ein hübsches Kind wurde wohl erzogen, ein Ochse zu einer ausserordentlichen Grösse und Stärke herangemästet. Alles Volk im Thal versammelte sich, als nach sieben Jahren das Kind sein erstaunliches Thier an einem Seidenfädchen zu Berg führte. Oben entbrannte nun mit dem Ziegenbock ein Kampf, in welchem beide Thiere todt blieben. Aus den Hörnern des erlegten Ochsen aber machte man Alphörner, und der deutsche Kaiser liess sie dem Hirtenvolke mit Silber beschlagen. In mancher Schlacht wurden sie geblasen und erst gegen die Wälschen giengen sie verloren. Das Landeswappen der Urner soll sich von jenem Kampfe herschreiben.

Quelle: Ernst L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 2, Aarau, 1856

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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