Auf eine Zeit beschlossen die Bürger der Stadt Brugg, im Gemeindsbann einen Eichwald zu pflanzen. Also zogen sie einst an einem Regentage aus, machten mit Stecken Löcher in den Waldboden, liessen in jedes Loch eine Eichel hinunter und traten das Loch mit dem Fusse zu. So setzten sie an einem Tage bei zwölf Mütt Eicheln; und am Abend bekam jede Person ein Weissbrod zum Andenken an die Pflanzung des Waldes. Allein die Eicheln waren zu tief und zu fest im Boden und wuchsen nicht.
Darnach pflanzte man dasselbe Landstück mit Roggen und Hafer an, pflügte es nach der Aernte wieder um und legte nun zum zweiten Male Eicheln. Allein auch so kamen nur wenige aus den Furchen, und statt der Eicheln wuchs Gras. Nun heuete man das Gras und liess beim Mähen die jungen Eichlein vorsichtig stehen. Aber sie wollten doch nicht wachsen und verserbten in dem Rasen.
Daher stellte man die Sache noch einmal anders an. Am 20. Weinmonat des Jahres 1532 zog die ganze Gemeinde mit Weib und Kind hinaus in den Wald. Alles musste daselbst junge Eichlein ausgraben. Darnach zogen sie mit ihren Setzlingen hin, wo sie den Eichenwald pflanzen wollten und setzten sie. Und als man von der Arbeit heimkam, wurde jedem Kind ein Brödlein gegeben, damit sie sich an die Pflanzung des Waldes erinnerten. Männer und Frauen aber hielten auf der Stadtstube ein fröhliches Nachtessen. Und die Eichen, sagt die Chronik, wuchsen nun. Dessen freute sich die Bürgerschaft sehr, und zum Andenken zog man alle Jahre aus und machte mit der Jugend einen Umgang im Walde. Zum Zeichen aber, dass die Eichen wüchsen, musste dann jedes Kind einen Zweig mit sich in die Stadt heimbringen, und darnach bekam es zum Abend ein Brödlein.
Von daher ist das jährliche Jugendfest in der Stadt Brugg entstanden und wird darum dort Ruthenzug genannt.
Band 1, Quelle: Ernst L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 1 Aarau, 1856, Seite 84
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.