Zu Stalden auf dem Bötzberge diente im Wirthshause eine Magd, welche die Liebesbesuche eines Burschen von Linn so lange angenommen hatte, bis sie ihn endlich dringend bitten musste, sie ehestens zu heirathen. Dies kam dem Liebhaber so unerwartet und verstiess so sehr gegen seinen Dorfstolz, dass er bei sich beschloss, das Mädchen gewaltsam auf die Seite zu schaffen. Schon in den nächsten Nächten verlangte er wieder bei ihr Einlass. Arglos wird ihm wie sonst das Gadenfenster aufgethan. Sogleich versetzt er der Armen drei Messerstiche und entflieht. Nebenan und nur durch eine Holzwand getrennt, schlief diese Nacht eine der vielen Wallfahrerinnen, die aus dem Elsass und Schwarzwald dieses Weges über den Bötzberg alljährlich nach Einsiedeln zur Schwarzen Mutter Gottes pilgern. Diese erwachte über dem Stöhnen der Verwundeten und machte im Hause Lärm. Als man Licht gebracht, konnte die Sterbende nur eben noch den Namen ihres Mörders aussprechen, dann verschied sie. Indessen war jener bis zum Sandbrunnen gekommen, der nicht weit vom Wirthshause entfernt ist, hatte da schnell sein blutiges Messer abzuwaschen gesucht und weil's nicht gieng, es von sich geworfen; dann lief er heim. Schon am andern Morgen ward er verhaftet. Er leugnete, bis man ihm sein Messer vorhielt; da bekannte er, wie er die paar Blutstropfen daran durchaus nicht habe wegreiben können, sie seien wie eingefressen auf der Klinge geblieben. Das habe ihn so erschüttert, dass er sein Leben gestern schon verschätzt habe.
Im Dörfchen Hafen am Bötzberge wurde seine Leiche aufs Rad geflochten. Nun sieht man am Sandbrunnen zuweilen seine Gestalt stehen, bald auf einen Pfahl regungslos gestützt, bald aus allen Kräften etwas fegend, das er dann aufnimmt und im Schimmer des Mondscheins prüfend betrachtet.
Quelle: Ernst L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 1 Aarau, 1856
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch