Am Rheinufer unterhalb Rietheim stehen Ruinen eines gewaltigen Rundthurmes aus der Heidenzeit. Von ihm aus gefährdete eine Räuberbande vor langen Jahren die Kaufleute, welche auf ihrem Waarenschiffe hier vorbei nach Basel fuhren. Als sie auf einem solchen einst auch einen Geistlichen fanden, der allein unter allen Reisenden ihnen kein Geld zu bieten hatte, warfen sie ihn ins Wasser. Noch im Versinken verwünschte er die Unmenschen.
Bald darnach wurde es auf dieser Rheinstrecke sicher und friedlich, und man hörte nicht mehr, dass irgend ein Reisender weiter angefallen worden sei. Aber die Stüdler von Zurzach, jene alte Schifferzunft, welche allein das Recht haben, alle Güter und Waaren durch die Rheinstrudel der Wildi und des Höllhakens zwischen Zurzach und Rheinfelden hindurch zu führen, bekamen bei ihrem nächtlichen Flösserdienste jene Bande wieder zu Gesicht. Namentlich ein Koblenzer Lachsfänger, der an jenem zerfallenen Thurme seine Gerätschaften zurecht legte, sah ihrer mehr als ein Duzend auf einmal, alle mit Schwert und Spiess bewaffnet. Ihr Hauptmann trug die gleiche Ausrüstung, körperlich aber war er ein blosses Knochengerüste. Als sie dem Fischer aus dem Auge kamen, hörte er noch lange drüben her vom badischen Gehöft Aettikon die Ruderschläge ihres Raubschiffes.
Zwei muthwillige junge Leute aus Rietheim, denen man davon erzählte, wollten es nicht glauben und machten sich darauf eines Abends zu jenem alten Thurme. Die haben ihren Vorwitz hart gebüsst, denn nie hat man seitdem je wieder von ihnen gesehen oder gehört.
Später meinte ein Schiffer, der Nachts rheinab fuhr, an dieser Stelle einen Ruf gehört zu haben und landete in der Voraussetzung, es werde Jemand in sein Schiff einsteigen wollen. Als er ans Ufer kommt, treten wirklich sogleich zwei sonderbar gekleidete Mannsbilder in seinen Weidling und fahren bis zum Dorfe Koblenz mit ihm hinunter. Dorten drückt ihm der Eine ein Stück Geld beim Weggehen in die Hand; während der Fehr das gewichtige Stück in der Hand wägt und betrachtet, sind die beiden Gesellen schon davon und aus seinem Gesichte. Er erzählt darauf im Wirthshause sein Abenteuer und als man ihn da auffordert, das schwere Geldstück herzuzeigen, zieht er statt dessen ein Stück von einer gelben Rübe heraus, das einen solchen Gestank verbreitete, dass Alle zugleich aus der Stube hinaus laufen mussten. Diesen Auftritt überlebte der Schiffer nicht lange; er ist binnen Jahresfrist wahnsinnig geworden und ward todt im Walde gefunden.
Eine alte Frau von Degerfelden, die an der Ruine herum Kräuter für den Apotheker sammelte, hat bei dem Gemäuer ein Aechzen und Stöhnen vernommen; auch weiss man, dass hier des Nachts Stimmen laut werden, als ob man einem vorbeikommenden Fahrzeuge Halt geböte.
Band 1, Quelle: Ernst L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 1 Aarau, 1856, Seite 49
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.