Im Frickthalerdorf Hornussen lebte ein Bauer, der täglich in die Messe gieng, fleissig seinen Rosenkranz betete, dem Pfarrer und Kaplan in allem folgte, der Obrigkeit aber um so weniger nachfragte. Wegen wiederholten Ungehorsams liess ihn zuletzt das Amt auf vier Tage ins Bürgerstübchen sperren. Da man ihn wieder aus der Haft entliess, wandelte ihn eine solche Scham vor den Leuten an, dass er sogleich dem Rhein zulief und sich hinein stürzte. Ein Bekannter, der ihm auf dem Wege begegnet war, hatte aus seinem trüben Aussehen nichts Gutes geschlossen und war ihm nachgegangen; als er den Fluss erreichte, sah er eben noch, wie der Unglückliche im Wasser mit dem Tode rang; er hatte ein am Ufer stehendes Tannenbäumchen zu fassen gesucht, dieses riss aus und blieb ihm in der Hand, damit versank er.
Einige Zeit darnach fuhr ein Schiffer den Rhein herab und fühlte oberhalb Seckingen, eben an dieser Unglücksstelle, wie sein Weidling plötzlich emporgehoben werde. Zugleich sah er vorne an der Schnauze des Schiffes ein Tannenbüschlein aus dem Wasser auftauchen, versinken und dann wieder hervor kommen, von einer Menschenhand krampfhaft festgehalten. Sogleich erinnerte er sich des Unfalls, der hier seinem Bekannten das Leben gekostet hatte, und im herzlichsten Mitleiden rief er: ach Gott, was muss man denn tun? Da war's ihm, als ob jemand entgegen gerufen hätte:
Sechs Johr am Läbe verlore,
Und sechs Johr im Wasser verfrore.
Der Schiffer rechnete nach, dass heute gerade sechs Jahre um seien, seit der Hornusser hier ertrunken war.
Vom Schwarzsee im St. Gallischen erzählt man, es sei ein Mann aus Weisstannen in ihn gestürzt und strecke nun bisweilen seinen Arm heraus, in der Hand einen mit bunten Bändern behangenen Stock haltend.
Quelle: Ernst L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 1 Aarau, 1856, Seite 38
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch