Schwimmer Willi zu Meisterschwanden

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Am Hallwiler-See im Dorfe Meisterschwanden lebte ein reiches Bauernmädchen Lisa. Sie hatte bis jetzt alle die Bewerber, die aus ihrer Gemeinde um sie freien wollten, hartnäckig abgewiesen, und wenn nun ein Jüngling aus der Nachbarschaft als Bewerber erschien, so wussten die aufgebrachten Bursche zu Meisterschwanden genug Mittel, ihm diese Besuche zu vereiteln, ja sogar lebensgefährlich zu machen.

Da kam nun aber einer aus dem jenseits des Sees gelegenen Dorfe Beinwil, der fand sich einen neuen Weg in das bewachte Nachbardorf und kein Neider vermochte diesen zu entdecken oder ihn abzuschneiden. Willi (Wilhelm) war ringsum der geübteste Schwimmer, und wenn er nachts über die halbstündige Breite des Sees zu Lisa hinüber schwamm, so hatte das Mädchen in ihr Fenster, welches gerade dem Ufer zugieng, das Licht gestellt, und unverwandt blickte dann Wilhelm nach jenem freundlichen lieben Zeichen. So konnte er lange und unbemerkt „zu Licht gehen“ und die Eifersüchtigen verlachen.

Allein es waren einst noch in später Stunde Verwandte zu Lisa gekommen, die über Vermuten lange ihren Besuch ausdehnten und von ihr, dem einzigen Kinde des Hauses, nicht verabsäumt werden durften. Zu der Zeit hatte Willi jenseits schon die Kleider auf den Rücken gebunden und sich den wohlbekannten ruhigen Wogen wieder anvertraut. Schon war er seinem Ziele nicht mehr ferne, er hörte es am Anschlagen der Hunde, da war plötzlich das Licht erloschen, dessen Schein er über sich in der Höhe des Gestades suchte. Die Dunkelheit des Gewässers, die peinigende Ungewissheit über die Geliebte, über das Ausbleiben ihres Freudschaftszeichens führten ihn irre, er ermüdete mit einem Male und versank.

Inzwischen war Lisa aus dem Gespräche ihrer Verwandten einmal losgekommen und in ihre Kammer hinaufgeeilt. Da entdeckt sie mit wahrem Schrecken, dass ein Windzug die Kammertüre schon vor ihr geöffnet und das Licht in der Laterne ausgelöscht hat, das vors Fenster gesetzt war. Als es immer später wurde und der Erwartete noch nicht dem Hause sich näherte, stiegen die bangsten Ahndungen in ihr auf. Sie konnte es nicht länger ertragen; in der Finsternis der Nacht und allein lief sie über die steilen Ufer hinab und rief so lange übers Wasser, bis ihr die Stimme versagte. Sobald man daheim die Tochter vermisste, liefen Knechte und Mägde nach allen Seiten aus, sie zu suchen. Aber es war schon hoch am Tage, da man das sterbende Kind drunten am See bei der Leiche Wilhelms fand. Noch jetzt wird diese Begebenheit an den Ufern des Hallwiler-Sees als ein wikliches Erlebniss erzählt.

Quelle: Ernst L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 1 Aarau, 1856, Seite 32

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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