So nennt man eine durchaus trockene Thalmulde, eine Viertelstunde von Muri an der Landstrasse nach Luzern; sie liegt im Maiholze und ist theilweise selbst überwaldet. Oft füllt sie sich bei ganz heiterer Witterung plötzlich mit Wasser an, und dies soll von jeher immer zu den Zeiten geschehen sein, in denen ausserordentliche Dinge zu erwarten standen; so namentlich vor der französischen Revolution, und wieder vor dem Hungerjahre 1817.
Als im J. 1712 die Kriegsmacht der Berner nach Sins gegen die katholischen Kantone der Schweiz zu Felde zog, hörte einer der stolzen Berner-Dragoner von des Gewässers Gefährlichkeit reden, an dessen seichtem Saum er eben vorbei ritt. Er sprengte sein Ross mit den Worten an: „da will ich hindurch, sei's Gott lieb oder leid!" und war sogleich im Bodenlosen verschwunden.
Was aber die Umwohner noch aufmerksamer auf diese Erscheinung gemacht hat, das geht im Dorfe Muri selbst vor. Dort ist die Pfarrkirche auf einen ziemlich hohen Hügel, Kirchbühl, gebaut; und ausserhalb der Kirchenmauer stehen einige andere Wohnhäuser in beinahe gleicher Höhe. In einem dieser Häuser nun soll sich der Keller gleichzeitig mit dem mehrere hundert Fuss tiefer liegenden und weit entfernten Heiterechsee mit Wasser anfüllen, und dieses verschwinde an beiden Orten zur selben Frist wieder, sobald das damit angedeutete Ereigniss seinen Anfang genommen habe. Sogar der im J. 1847 entstandene schweizerische Sonderbundskrieg soll auf solche Weise hier vorgemeldet worden sein, und durch die Wallfahrer, die aus Frankreich früherhin ziemlich häufig nach Muri kamen, ist auch die Kunde von diesem Wundersee bis ins Elsass verbreitet worden.
Hierher versetzt der allgemeine Volksglaube ein Schloss, das wegen der Unthaten seiner Bewohner in die Erde hinabgeschlungen worden ist. Wer Nachts dort vorbeigeht, sieht des Schlossherrn schwarze Gestalt aus dem Sumpfe emporsteigen, sein Schloss suchen und wieder versinken. Dann wandelt er in der Gestalt des allbekannten Dorfhundes durch die Gassen des Dorfes Muri. Noch kennt man eine nicht geringe Zahl unterirdischer Gräben und Kanäle, die aus dem Innern der Erde die gefährlichen Wasser des Sees abführen. Das Volk hält sie für Gänge des alten Schlosses, ein Mann soll aufrecht darin laufen können.
Band 1, Quelle: Ernst L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 1 Aarau, 1856, Seite 31
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.