Das Glücksheer

Land: Schweiz
Region: Fricktal
Kategorie: Sage

Wenn das wilde Heer von der Froburg aus ins Fricktal hinüber fährt, läßt es sich an den Bergen bei Ormalingen auf dem Platze nieder, wo die Stadt Malhausen untergegangen sein soll. Sie hat sich, heißt es, zwei Stunden in die Länge erstreckt, von den Dörfern Ormalingen und Rotenfluh an bis an den Fuß des Schloßberges der alten Farnsburg. Sammt ihren 15 Stadttoren und 40 Türmen ist sie durch ein Erdbeben verschüttet worden.

Jetzt schweift der Geist des Rotenfluhers hier in Flammengestalt umher und läßt seinen Weidmannsruf Hopp, Hu-dada! erschallen. Ein Mann, der ihm dieses Lockwort unabsichtlich nachsprach, wurde dafür die lange Nacht von unsichtbarer Gewalt in der Irre umher geschleppt und fand sich, von Dornen wundgerissen, bei Tagesanbruch droben auf der Ruine der Farnsburg liegen, stundenweit ab von seinem Ziele.

Von hier aus steigt die Jagd wieder gegen die Geisfluh zu den Salhöfen zurück und fällt über die Schafmatt ins Aargau ein.

Zuweilen zieht sie sich auf der Höhe des letztgenannten Passes über die Wasserfluh fort zu der Rockenmatt und tummelt sich auf der Nordostseite dieser unwirtlichen Berge herum. Hier auf der Pilgernmatte stand ehedem ein Bauernhaus, das die Grenze zwischen dem Alten Aargau bildete, welches zu Bern gehörte, und zwischen dem Fricktal, das damals noch eine vorder-österreichische Landschaft war. Auf diesem Punkte ist auch jetzt noch der wunderlichste Nachtlärmen zu vernehmen, bald Geschrei, bald Gesang; bald ist es, als hörte man eine ganze Prozession zusammen beten, bald als hörte man einen Haufen Verdammter ächzen und brüllen. Bald scheinen sie in der Luft sich zu bekämpfen, bald im Hochwalde drinnen rottenweise gegen einander zu feuern, bald mit einander lustig zu tanzen. Dann klettern die Tänzer rasch die Tannen hinan, Hörner blasen, Flintenschüsse knallen, die Äste krachen, und wo einer hinangestiegen ist, verdorrt der Baum.

Bald nennt man es das Wütigs-, bald das Gutigs Heer und Glücksheer. Wenn es sich zur Erntezeit hören läßt, droht Regenwetter, und man hat sich zu beeilen, die Garben vom Felde heim zu bringen. Aber um Weihnachten hört es der Bauer um so lieber; je tönender und voller dann die Kriegsmärsche lauten, um so zahlreichere Garben hofft er im Sommer zu binden. 

Sage aus dem Fricktal

 

Quelle: Ernst L. Rochholz, Naturmythen, Neue Schweizer Sagen, Leipzig 1962

Band 3.1, 9. Kapitel, S. 62 

Notiz:

Im selben Buch S.40 wird die Farnsburg (Varnsburg) erwähnt: das Jahrbuch der Stadt Zürich (bis 1336) nennt neunundzwanzig Burgen, die durch das Erdbeben im Jura (1356 = das grosse Erdbeben) zerstört wurden:  „An Sant Lucastag zuo herbest kam diu groz erdbidem, daz vil stett und burg nieder fielent. Des ersten fiel Basel nieder und verbran. Es fielent ouch diu festi Honberg, zwo Schowenburg, dri vestin, hiezent Wartenberg, es fielen Rienberg, Varnsburg, Wildenstein, Augenstein, Froburg.“

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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