Westlich vom Rechberg bei Wittnau liegt der Buschberg. Auf seine Höhe, die einst ein Schloss getragen haben soll, führt der Weg schräg über eine jähe Halde zu einem Wallfahrtskreuz, das von den Bewohnern der umliegenden Ortschaften sehr zahlreich und sogar von den jenseits des Rheines gelegenen Dörfern des Schwarzwaldes als ein wundertätiges besucht wird. Neben daran geht ein Fahrweg von dem Buschberge zum Lindberge hin, und ehemals als dieser Weg noch nicht bestand, führte vom Lindberg aus eine lederne Brücke auf den Rechberg hinüber.
Tritt nun Regenwetter ein, so beginnt vom Buschberge her Musik und bald darauf erscheint die Herrenkutsche, in welcher die Schlossherren zum Besuch auf den Rechberg fahren. Ein Wittnauer Bauer, der im Jahre 1854 gestorben, erzählte mir darüberfolgendes Selbsterlebnis:
Vor etwa 70 Jahren, da auf diesen Fricktalerbergen noch der Weidgang üblich war, hüteten wir Hirtenknaben unser Vieh auf dem Buschberge. Da liess sich am hellen Mittage Musik hören und gleich hernach kam eine Kutsche gegen unser Heuhaus heran. Die Bespannung waren 4 prächtige Schimmel, auf dem Bocke sass ein Postillon in blutroter Uniform, alle Rockknöpfe glühten; wer aber innen in der Kutsche sass, konnte man bei ihrem schnellen Fahren nicht sehen. So fuhr sie gegen das Holzgatter des Hages hin, der unsere Weide einschloss. Dienstfertig sprang einer von uns zum Gatter voraus, um der Kutsche den Weg zu öffnen. Er meinte, für diesen Dienst ein Trinkgeld verdient zu haben, und klammerte sich sofort hinten an der Kutsche fest, um das Geschenk an der nächsten Felswand, wo man halten würde, in Empfang zu nehmen. Es wurde endlich Abend, und noch war der dienstfertige Kamerad nicht zu uns zurückgekehrt. Besorgt suchten wir ihn ringsum auf dem ganzen Berge; zuletzt entdeckten wir ihn, er hing über unsern Häuptern hoch auf dem Gipfel einer alten Eiche, mit den Füssen in deren Äste verwickelt. Er wurde halbtot heimgetragen und starb nach kurzer Zeit in heftigen Fieberanfällen.
Besser kam ein anderer Wittnauerbursche weg. Er war eben im Begriffe, einigen Schnittermägden entgegen zu gehen, welche die Woche über hinten in den Bergen im Lohn hatten ernten helfen und nun am Samstagsabend in ihr Dorf heimkehrten. Da sah er querüber eine Kutsche fahren und beeilte sich, sie einzuholen. Trotz seines Rennens konnte er sie doch nicht ganz mehr erlaufen; gerade streifte er das hintere Wagenrad mit seinem Hemdärmel, da stieg sie über die Gipfel des Eichen- und Tannenwaldes empor, und er hatte das Nachschauen. Am andern Morgen stand er mit einem sehr geschwollenen Kopfe aus dem Bette auf.
Quelle: Ernst L. Rochholz, Naturmythen, Neue Schweizer Sagen, Band 3.1, Leipzig 1962
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch