Der Brunnenhans am Giblour in Kanton Freiburg

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Der Brunnenhans am Giblour in Kanton Freiburg

Während die Sennen am Giblour vor dem losgebrochnen Sturm sich in die Hütte flüchteten, war einer von ihnen, der Brunnenhans, noch auf dem Wege, um den schon lange bestellten Mundvorrat aus dem Tal herauf zu bringen. Man besprach sich über die Beherztheit, die dazu gehöre, mit einer Last Mehl und Salz auf dem Rücken unter solchen Windstößen den steilen Bergwald herauf zu klimmen, und als es zuletzt eine Wette galt, wie weit die Unerschrockenheit des Kameraden auf die Probe gesetzt werden dürfe, warf einer eine frische Kuhhaut um, an welcher noch die Hörner saßen, und stellte sich draußen unter der obersten Wettertanne dem Ankommenden entgegen. Letzterer trat nach einer langen Zeit endlich in die Hütte, stellte sein Tragref ab, schmiß den blutigen Bergstock in den Winkel und setzte sich ans Feuer, um seine Kleider zu trocknen. Auf wiederholtes Befragen über die heutigen Strapazen meinte er, es sei ihm nichts weiter begegnet als schließlich eine verlaufene wilde Kuh, die ihn am obersten Staffel vorhin habe angreifen wollen; er habe sie aber mit einem solchen Hieb zusammen geschlagen, dass, wenn man es ihm etwa nicht glaube, es wohl an seinem Stock dahinten noch sichtbar sein werde. Nun machten sich die Sennen eilig hinaus, und fanden an der bezeichneten Stelle den Knecht mit eingeschlagenem Schädel.

Das Übrige dieser herrenlos gewordenen Erzählung lautet müssig.

Der Brunnenhans wird jenes Todschlages wegen eingezogen und hingerichtet, obschon er fortwährend versichert, in dem Glauben gewesen zu sein, nicht als eine stössige Kuh vor sich gehabt zu haben. So oft es nun stürmt, kommt sein Geist in Gestalt dieser gehörnten Kuh daher gefahren und wirft auf seinem Wege Alles in die Schluchten des Giblour. Die Alpe dieses Namens gehörte einst in das freiburgische Pfarrdorf Estavayez le Giblouz. 

Sage  aus Estavayez le Giblouz

Band 3.1, Quelle: Ernst L. Rochholz, Naturmythen, Neue Schweizer Sagen, Leipzig 1962

Ausschnitte aus dem 3. Kapitel, S. 53 - 54

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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