Das Bad, welches auf der Höhe des Lindenberges irn Schlattholze liegt, führt eine ganze Reihe von Namen auf einmal. Bettwiler- und Schongauerbad nennt man es von der nahen Ortschaft und weil seine Stifter von Schongau gewesen sein sollen; Weissenbacherbad, nach dem Wohnort des Bösewichts, von dem hier erzählt wird; Guggibad, entweder wegen der Weite der Aussicht, die man hier auf einer Seite durch die Lücken des Tannenwaldes hat, oder nach dem Gugger, dem Satan, oder weil der Blaubart hier hauste, der ein von Zorn und Aussatz brandrotes Gesicht hatte, und welcher deshalb auch Rüefengügges genannt wird. Heidenbad und der Elftausend-Mägdebrunnen war sein Name vor alters, so nennen es auch die ersten gedruckten Berichte, die seine Heilkraft anempfehlen.
Hier zu Weissenbach wohnte, in geringer Entfernung vom jetzigen Bade Schongau, ein reicher Mann, der in Folge seiner Ausschweifungen aussätzig geworden war. Er hatte alle Aerzte und ihre Mittel vergeblich versucht. Nun schlich er menschenfeindlich und selber gemieden hier in dem grossen Walde umher, der einst diese ganze Umgegend bedeckt hielt, während jetzt nur noch wenige gewaltige Eichen davon übrig sind. Da gab ihm der böse Geist ein, er könne sich reinigen und von dem Uebel befreien, wenn er sich im Blute von sieben oder zwölf tugendhaften Jungfrauen bade, und all sein Trachten ging jetzt nach solchem Blute. Am obersten Bergrücken, wo ein hoher Eichbaum weit über den Wald emporragte, gelang es ihm, eine Schaar von elf Mädchen zu überfallen, die auf ihrem Kirchgange von Boswil nach Hitzkirch hier den Schattenweg eingeschlagen hatten. Er fing sie und hing sie allzusammen an die tief herabgehenden Zweige der Eiche auf. Was half es ihm; noch fehlte die Zwölfte und er war noch immer nicht rein. Da ritt er gleich am Montag hinunter nach der Mühle und sang so süsse und schmeichelnde Lieder zum Fenster der Müllerstochter hinauf, dass sich das unerfahrne Kind verlocken liess, sich zu ihm aufs Ross zu setzen. Augenblicklich sprengte er mit seinem Raube der fürchterlichen Stelle im Walde zu. Als das Mädchen ihr Los erkannte, flehte sie: nur noch drei Rufe lass mich tun, eh' ich sterben muss. Er gewährte es ihr und sagte:
Wir sind hier zwischen Wald und Feld,
Es g'hört dich weder Gott noch Welt,
Schrei, was du schreien kannst.
Nun rief sie des Vaters, der Mutter und ihres Bruders Namen. Der Mörder lachte schadenfroh, denn er wusste wohl, dass der Vater im Wirtshaus zum Sternen bei einem Hochzeitschmauss sass und dass der Bruder weit entfernt auf der Jagd war; die alte Mutter aber hatte er nicht zu fürchten. Jedoch als diese der Tochter Ruf vernahm und sich zu schwach fühlte, liess sie die Stimme in die Boswiler-Wälder hinüber wehen, und da sprach der dorten jagende Bruder und horchte auf:
Still! G'höre-n-ich mini Jagdhündeli,
Oder d'Stimm' vo-n-euserem Chindeli?
Sogleich ritt er der Stimme nach, brach auf dem Platze hervor, wo der Böse eben im Begriffe war, die Schwester mit einem Weidenband an die Eiche zu hängen, befreite das Mädchen, band den Mörder mit derselben Fessel seinem Rappen an den Schwanz und schleifte ihn durch den Tannenwald zu todt. So war der Blutmensch hingerichtet. An dem Mordbaume entsprang damals die Heilquelle; auch sagt man, die beiden Geretteten hätten hier ein Bad zu errichten gelobt, das Wasser dazu aber erst graben und dann wärmen lassen. Der Schatten des hingerichteten Blaubart wandelt noch auf der Höhe, so oft die Witterung wechseln will; hätte er auch noch sein zwölftes Opfer geschlachtet, so hätte er „dur alle Wänd und Muslöchere dure schlüfe chönne.“
Quelle: Ernst L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 1 Aarau, 1856, Seite 22
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch