Das Gespenst auf Schloss Wyden
Im Jahre 1695 spukte es beim Winterthurer Amtmann David Sulzer auf dem Schloss Wyden ganz gewaltig, dass der Hauslehrer Jakob Steiner es für wichtig genug fand, darüber einen Bericht zu verfassen.
Das Gespenst auf Wyden war wohl das seltsamste seiner Art. Gesehen hat es niemand recht. Es machte sich nicht nur zur Geisterstunde bemerkbar, sondern stundenweise, zuerst nur in der Nacht, dann auch am Tage. Es schoss durchs Haus wie der Blitz, oder es stampfte treppauf und ab, wie ein schwerer Mann. Es warf Türen zu, dass sie zersprangen, warf Haushaltungsgegenstände herum, rückte laut Stühle herum, zerbrach Küchengeschirr; es heulte, schluchzte‚ plärrte und stöhnte. Aufpassern löschte es das Licht. Es kratzte an Türen und Balken wie ein Bär. Der Frau Amtmännin rauschte es über den Kopf hinweg in die Stube durch das offene Fenster herein und zur Zimmertür hinaus. Als die erschrockene Frau nachsehen wollte, war es nur noch ein Räuchlein. Wie gesagt, von den Schlossbewohnern hat es niemand gesehen, nur einige Dienstboten wollten einen Mann mit einem wüsten, zottigen Hund bemerkt haben. Getan hat es niemandem etwas. Nach einem Jahr verschwand der Spuk.
Nun fügt Hauslehrer Steiner dieser Geschichte an, dass längere Zeit vor dem Auftreten des Gespenstes im Schloss zwei Deutsche erschienen und sich auf Kosten des Amtmannes sättigen wollten. Dieser aber verlangte für die verabfolgte Speisung eine bescheidene Zahlung. Das habe die beiden in Harnisch gebracht, und in der Nachbarschaft hätten sie sich in drohenden Worten über den Schlossherrn geäussert.
Es wurde zu jener Zeit schon stark in Erwägung gezogen, die beiden Fremden, im Verein mit Dienstboten, hätten sich diesen üblen Scherz erlaubt.
Quelle: K. W. Glaettli, Zürcher Sagen 1970, Winterthur und Weinland
Gekürzt aus P. Corrodi im Zürcher Taschenbuch 1924, S. 62ff. Vgl. die Spukgeschichte vom „Kragenwäscher“, ebenfalls von P. Corrodi im Zürcher Taschenbuch 1924. Der Spuk, der sich zwischen 1701 und 1705 bei Antistes Klingler zugetragen, fand seine Erklärung dadurch, dass man dem Pedell nachweisen konnte, die Spukereien ausgeführt zu haben, um persönlichen Nutzen daraus zu ziehen. Er wurde enthauptet. Es war das letzte Todesurteil in Zürich, das in Sachen Aberglauben gefällt wurde.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.