Chimpettere

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Chimpettere

Imene Burehus isch e Chimpettere gstorbe, u mi het se uf e Totehof treit. Scho i dr Nacht druf isch sie umecho. Vor de Pfäischtere het sie gsüfzget u gstöhnet u trurig i d’Stuben ihe gluegt. Das isch lang eso gange.

Duderno het me ihrne Lüten ändtlige gseit, sie heige gwüss vergässe, ihre d’Schueh azlege. So isch es au gsi. So sölle sie jetz es Paar uf e Sinzel stelle. U wo sie das gmacht hei, isch sie nümmen umecho.

Wen e Chimpettere stirbt, leit me se schwarz a. Schueh u Strümpf bingt me re guet. Kes darf ufgoh. I Sack stosst me re es Mässer. Sächs Wuche chunnt sie ume. Obe für Obe stellt me re-n-es aghaunigs Brot un e Fläsche Wi uf e Tisch; es Glas voll schänkt men i u stellt’s schön dernäbe zuehe.

We me us dr Chimpetti z’Chile geiht, leit me si schwarz a. U wie dr Bruch isch, wüsset dr; we me z’erscht Mol vo Hus geiht, so geiht me äbe i d’Chile u nid an-es angers Ort; mi meint, es wär en Überträttig, we me’s angers miech. Z’Roth isch vor Johre e Chimpettere gstorbe. Dere het me d’Schnupfdrucke i Totebaum ihe to. Jo, gwüss; mi muess
wäger lache; aber wohr isch es doch.

Aussergewöhnliche Vorschriften schliessen sich bei den Naturvölkern an das Kindbett an; unheimliche Mächte oder böse Geister bedrohen die Kindbetterin; darum hat sie besondere Vorschriften zu erfüllen, um den ihr nachstellenden Geistern auszuweichen. Im Volksglauben spiegeln sich diese alten Vorstellungen, die auch einmal zum Inhalt des Glaubens unserer Vorfahren gehörten, deutlich wieder.

Die Grabspenden, die man der Kindbetterin mitgibt‚ lassen sich nicht alle auf die gleichen Anschauungen zurückführen.
Als Spenden gibt man den Toten Dinge mit, die ihnen lieb sind; darum legt man dem Mütterchen die Dose in den Sarg; es könnte sonst Sehnsucht nach dem Schnupftabak haben und heischend zurückkehren.

Brot und Wein spendete man der wiederkehrenden Toten; man gab den Toten auch öfters Nahrung mit ins Grab; in Heimiswil bestand der Brauch, Verstorbenen Wein, Brot und Käse mitzugeben. Aus Wein, Brot und Käse setzt sich die „Käsgräbt“ zusammen, das einfachere Totenmahl der ärmern Leute, im Gegensatz zur „Fleischgräbt“. Im Frühling 1928 kam bei Grabarbeiten im Schiff unserer Kirche ein Tellerchen zum Vorschein, das einem mittelalterlichen Grab angehörte; es mag als Spende Nahrung für den Toten enthalten haben.

Warum gibt man aber der Wöchnerin, überhaupt den Toten, Nahrung als Spende? Die Äusserungen des Glaubens sagen uns so wenig über das Wesen der Seele oder über die Art, wie der Toten gedacht wird, um bestimmte Schlüsse zu ziehen. Wahrscheinlich ist, dass man sich die Kindbetterin nicht eigentlich tot vorstellt, wie in den vorausgehenden Sagen, die alle den Glauben an das Vorhandensein einer Seele enthalten. Der Tote ist nicht tot, wie es der Seelenglauben voraussetzt; der Leichnam lebt ein eigentümliches Dasein weiter, und wenn der Tote zurückkehrt, erscheint er nicht als Geist, sondern er kommt als ein körperhaftes Wesen, das man greifen kann, als lebender Leichnam mit Fleisch und Bein. Die Vorstellung vom lebenden Leichnam dürfte nach Ranke, dessen Ausführungen ich folge, in die Anfänge menschlicher Entwicklung zurückführen und zeitlich vor den Ursprüngen der verschiedenen Vorstellungen des Seelenglaubens liegen, wie ihn die vorausgehenden Sagen enthalten.

Die Grabspenden und die Vorstellung vom „lebenden Leichnam“ zeigen uns eine Quelle, aus denen sich die Totenopfer herleiten lassen. Reiche Opfer spendeten die Ägypter ihren Toten.

Im Volksglauben erhielt sich die Vorstellung vom körperhaften Totengespenst nicht rein, wie sie bei Naturvölkern beobachtet werden kann. Die Vorstellungen des Seelenglaubens vermischen sich mit dieser uralten Anschauung, sodass einzelne Erscheinungen schwer zu deuten sind; aber die Vorstellung vom „lebenden Leichnam“ wirkte in Bräuchen nach bis in die heutigen Tage.

Schuhe als Grabspende deuten aber sicher auf einen langen Weg, den der Tote zurücklegen muss, vielleicht auf die Reise nach dem Totenreich. Noch heute sprechen die Kinder ein Gebet, das neben christlichen Anschauungen sicher uralte, vorchristliche Bestandteile enthält: Die Wanderung, die Brücke, den Mann an der Brücke. Das Gebet lautet:

„Herrgott, Röselirot,
Wie lit der Möntsch i grosser Not,
Wie lit der Möntsch i grosser Pin,
Wie gärn möcht ig im Himel sin.
Im Himel, da wär i gärn,
Da kam ich über ne breite Wäg,
Da kam ich über ne schmale Stäg,
Da chunnt eine u wott mi abwiese‚
O nei, o nei, i la mi nid abwiese“ usw.

M. Sooder, Sagen aus Rohrbach, Huttwil 1929

 

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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