Der Linksmähder von Madiswil *

Land: Schweiz
Region: Emmental
Kategorie: Sage

Das im Tal der Langeten liegende Dorf Madiswil führt in seinem Wappen einen Linksmähder. Davon weiss die Sage folgendes zu berichten.

In Madiswil lebte vor Zeiten ein reicher Bauer namens Roth mit seinem hübschen Töchterlein Vreneli. Dem Vater blieb es nicht verborgen, dass der Herr des benachbarten Schlosses Gutenburg, der ihn auf seinem Hofe fleissig besuchte, sein Kind gerne sah. Das Mädchen aber traute des Junkers Werbungen nur halb und hatte sein Herz dem Ueli, dem treuen aber armen Knechte seines Vaters geschenkt.

Als der Vater erfuhr, dass es dem Herrn von Gutenburg mit einer Heirat seiner Tochter nicht ernst sei, versprach er sein Kind dem Ueli, wenn er von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf der Längmatte ausserhalb des Dorfes linkshändig ein Kreuz mähen würde.

Die Liebe zu dem Mädchen gab dem Knecht Mut und Kraft, die Probe zu wagen. Bevor der erste Sonnenstrahl ins Tal brach, wanderte er mit zwei Sensen, von Vreneli begleitet, hinaus auf die Längmatte.

Dieweil er mit einer Sense mähte, wetzte das Mädchen die andere, reichte ihm einen kühlenden Trunk und ermunterte ihn, wenn seine Kräfte zu schwinden drohten.

Als der arge Junker davon hörte, verdross es ihn, und er schickte einen seiner Knechte mit einer Flasche Wein auf das Feld, sie dem Mähder zu bringen. Der Wein aber war vergiftet. Fleissig schenkte der Knecht dem Ueli davon ein. Trotzdem er sich todmatt fühlte, und kalter Schweiss auf seiner Stirne stand, setzte er dennoch seine Arbeit mutig fort. Als sich die Sonne hinter den blauen Jurabergen zur Ruhe legte, war ein grosses Kreuz durch die Längmatte gemäht. Mit dem letzten Sensenstreich aber sank Ueli tot zu Boden. Als Vreneli das sah, stürzte auch es vor Schrecken tot an die Seite des Geliebten hin.

Zum Andenken an die treue Liebe der beiden jungen Leute führen die Madiswiler bis auf den heutigen Tag den Linksmähder in ihrem Wappen.

* Der gleiche Sagenstoff ist in unveränderter Fassung auch für Sumiswald bezeugt. «Der Linksschnitter von Sumiswald». Unseres Wissens wurde die Sumiswalder Sage erstmals in Gedichtform im Jahre 1848 aufgezeichnet.

Emmentaler Sagen, Hermann Wahlen, 1962 Gute Schriften Bern

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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