Zwischen Baselland und dem aargauischen Fricktal läuft die First des Homberges stundenlang hin. Auf seinen bewaldeten Höhengipfeln aber stehen noch die Ruinen zweier alter Ritterburgen, der Homburg und des Rechberges, die einst gar stolz gegeneinander schauten. Das ist aber schon lange, lange her.
Einst, in einer mondhellen Nacht, kam ein verspäteter Wanderer, namens Joseph Hochreuter von Wittnau, von Baselland her über den Berg gestiegen. Wie er nun den Homberg hinunterschritt, fand er die ganze weite Ebene gesperrt. Eine doppelte, lebendige Hecke war in halber Mannshöhe durchs ganze Land gezogen, und zwischen diesem Grünhag lief eine saitengerade, breite Heerstraße.
Lange staunte der Nachtwanderer den seltsamen Grünhag an. Schon wollte er versuchen, darüber hinwegzukommen, da trug ihm der Nachtwind eine ferne, rauschende Musik zu. Nach und nach ward sie deutlicher, und er hörte, daß es ein Marsch war. Verwundert blieb Joseph Hochreuter stehen und schaute voll Erwartung die breite Heerstraße hinauf. Bald kam ein gewaltiger Zug angerückt. Zuvorderst gingen kleine Knaben, denen größere folgten und diesen wieder größere. Und so kamen immer größere, wie bei einer Stiege die Tritte. Paarweise schritten sie einher. Jedes Paar ging, die Straße zwischen sich offen lassend, in gleichen Abständen voneinander, hart am doppelten Grünhag entlang. Diese Jungen waren wie Pagen gekleidet, aber alle trugen gleiche weiße und schwarze Röcklein. Nach ihnen kam eine Schar Männer, ganz schwarz gekleidet, und gleich hinter ihr marschierte eine Musikbande daher, im Vorüberziehen gar mächtig ihre Hörner, Posaunen und Trompeten blasend. Danach aber kam in schönem Abstande eine feine Herrenkutsche, die sechs brandschwarze Rappen zogen. Sie war geschlossen. Trotzdem war eine Anzahl Herren und Damen darin sichtbar. Der Kutsche folgte eine Schar winziger Mägdlein, und dann größere und wieder größere bis zu den erwachsenen Jungfrauen. Sie alle trugen schneeweiße Kleider und gingen ebenfalls paarweise an der Hecke entlang. Eine Schar Frauen, die alle mit schwarzen Mänteln bekleidet waren, schloß den Zug. Alles das aber kam so zierlich und fein daher, daß auch nicht ein Laut zu hören war, außer der Musik, nach deren Ton alles marschierte. Nicht ein Stäubchen ging auf der Straße auf. Es war, als liefe der ganze seltsame Zug über Schnee. Auch schien es, als habe ein leiser Nachtwind den Zug hergebracht und wehe ihn jetzt vorüber. Wie staunte aber der mit großen Augen zuschauende Mann, als er bei näherem Zusehen wahrnahm, daß die Heerstraße statt mit dem Berg zu fallen und zu steigen, schnurgerade durch die Luft unten vom Schloß Homburg aus nach dem Schloß Rechberg hinüber weiterging.
Rasch lief der Hochreuter gegen die First des Berges hinauf, um von da aus noch besser sehen zu können, wo wohl das Ende des Zuges hingehen werde. Aber auf einmal ging der Mond unter. Alles wurde stockfinster, und die Hecken, die Heerstraße und der geheimnisvolle Zug waren verschwunden. Statt der rauschenden Musik aber donnerte es unversehens auf allen Seiten. Ein fürchterliches Gewitter brach los, also daß der einsame Wanderer die liebe Not hatte, sich vom Berg ins Tal hinabzufinden.
Die Homburger Schloßmusik läßt sich immer noch vernehmen, wenn im Hochsommer ein schweres Gewitter dräut. Sie tönt mit solcher Macht, daß man sie stundenweit, ja bis zu den Wölfliswyler Feldern deutlich vernehmen kann.
Quelle: Meinrad Lienert, Schweizer Sagen und Heldengeschichten, Stuttgart 1915
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.