Etwas Seltsames trug sich einst zu Wolhusen im Luzerner Gebiet zu. Dort stand vor Zeiten eine Burg, in der ein bösartiger Zwingherr hauste. Dieser bedrückte die Leute gar sehr und quälte sie auf jede Weise. Einst ritt dieser Zwingherr an einem ärmlichen Bauernhause vorüber, vor dem er einen großen, wohlgeformten Baumstamm liegen sah. Er rief den Bauern heraus, und als der zitternd vor ihm stand, befahl er ihm, er solle sogleich den gewaltigen Baumstamm aufladen und ihn ins Schloß heraufbringen. Der arme Bauer erschrak und sagte, daß er ja kein genügendes Gespann habe, das schwere Holz den Schloßberg hinaufzubringen, er solle ihm's doch um Gottes willen lassen. Da wurde der Zwingherr zornig und schrie, wenn er ihm den Stamm nicht bis um Mittag des kommenden Tages in den Schloßhof gebracht habe, sei er dann alt genug. Danach sprengte der Zwingherr davon.
Dem nötigen Bäuerlein ward's nun gar schwer, denn er hätte das schöne Brennholz zu gerne behalten und selber verwendet. Zudem machte ihm die Drohung des Zwingherrn bange und gab ihm viel zu denken. Wie sollte er den schweren Holzstamm mit seinem Ziehrind zur Burg hinaufschaffen können? Da ging er in seiner Not zum Nachbarn, der ein gar ausgedachter Kopf war und mehr wußte als dieser und jener. Viele sagten gar, er könne hexen. Diesem nun klagte er seine Not. Doch der tröstete ihn und sagte: "Laß mich nur machen und betrübe dich nicht. Es soll alles recht herauskommen."
Am andern Tag gegen Mittag, als der arme Bauer trübselig bei dem Holzstamm vor seinem Häuschen stand, hörte er auf einmal ein Peitschenknallen, und alsobald fuhren der Nachbar und sein Knecht heran. Vor dem Häuschen machten sie Halt mit ihrem Wagen, vor dem drei scharrende und wiehernde Rosse mit schwarzglänzenden Fellen standen. Nun wurde der schwere Stamm so rasch als möglich aufgeladen. Danach griffen die Rosse kräftig aus, angefeuert von der immerfort knallenden Peitsche des Nachbarn. Also ging's mit Hüh und Hott den Schlossberg hinauf, und als es in Wolhusen Mittag läutete, standen die prächtigen schwarzen Rosse mit ihrer schweren Last schon, schwitzend und dampfend und die Köpfe hängen lassend, im Schloßhof.
Gutgelaunt trat jetzt der Zwingherr aus der Burg in den Hof und freute sich des gewaltigen Stammes, der nun schon dalag. Die starken schwarzen Rosse aber tätschelte er wohlgefällig auf den Hals und Rücken und beschaute sie mit habgierigen Kennerblicken. Auf einmal rief er gebieterisch aus: "Die sind mein!"
Aber der Nachbar des armen Bauern, der bei den Pferden stand, blieb ruhig und sagte bloß, ernsthaft dreinschauend: "Jawohl, die Rosse sind dein, das ist wahr, denn siehe, dieses vorderste Roß ist dein verstorbener Vater, dieses hintere dein Großvater und das daneben dein Urgroßvater." Und damit wies er auf die drei rabenschwarzen Rosse, und, o Wunder! diese nickten mit den Köpfen. Und nun rief der Fuhrmann mit lauter Stimme: "Und wenn du, o Zwingherr, so fortfährst in deinem frevelhaften Tun, wirst du auch werden, was sie jetzt sind, und dann sind's zwei Paare."
Der Zwingherr erbleichte und ließ den Fuhrmann mit seinem unheimlichen Gespann kleinlaut und ruhig wieder aus dem Burghof heimzu fahren. Die armen Leute aber ließ er von da an in Ruhe.
Quelle: Meinrad Lienert, Schweizer Sagen und Heldengeschichten, Stuttgart 1915
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.