Einst lebte in Oberdiessbach ein ehrbarer Nagelschmied. Der war arm und konnte sich und seine Familie mit seiner Hände Arbeit nur kümmerlich ernähren. Schon in früher Morgenstunde liess er seinen Amboss erklingen, und unter seinen kräftigen Streichen sprühten die Funken durch die Schmiede, bis die Sonne ihren Lauf vollendet hatte. Dann zog er seinen Lederschurz aus, freute sich der geleisteten Arbeit und war glücklich und zufrieden mit seinem Schicksal.
Eines Morgens trat ein armes verhutzeltes Weiblein in die Schmiede und wollte ein paar Nägel kaufen. Und weil der Schmied ein gutes Herz hatte, schenkte er ihr die Nägel und lud die Frau ein, mit seiner Familie das Morgenbrot zu teilen. Das Weiblein dankte höflich und bemerkte im Fortgehen: «Jede Guttat trägt Zinsen. Sie sollen dir nicht ausbleiben. In der Sankt Andreasnacht, wenn die Glocke die elfte Stunde geschlagen hat, gehe hinauf zum Schlosshügel mit den drei Kastanienbäumen. Dort, wo der Mondschatten hinfällt, liegen zwei schwere goldene Ketten vergraben. Die eine gehört dir, die andere verkaufe und gib den Erlös den Armen.»
Bei diesen Worten verschwand das Weiblein. Der Schmied traute der Sache nur halb, tat aber doch, wie ihn die Alte geheissen, ging zur bestimmten Stunde hinauf zum Schlosshügel, grub nach und fand richtig die beiden goldenen Ketten. Er wurde ein reicher Mann. Aus dem Geld, das er aus der einen löste, unterstützt man noch heute arme, tüchtige Jünglinge, die ein Handwerk erlernen wollen.
Emmentaler Sagen, Hermann Wahlen, 1962 Gute Schriften Bern
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.