Weit hinten im Emmentaler Bergland, an der bernisch-luzernischen Grenze, ragt sein höchster Gipfel, der Napf, empor. Nach allen Himmelsrichtungen sendet er seine waldigen Bergrippen, seine sonnigen, weidebedeckten Eggen ins Land hinaus, und zwischen ihnen sprudeln geschwätzige Bergbäche den grossen Tälern zu. Im Gipfel des Napfberges, so weiss uns die Sage zu berichten, liegt ein grosser Trämel aus purem Golde verborgen.
Als einst ein Gewaltiger dieser Gegend, ein gefürchteter Peiniger seiner Untertanen, vor seinen Feinden flüchten musste, schleppte er seine Schätze, die er vor seinen Verfolgern in Sicherheit bringen wollte, auf den Napf. Hier versagten ihm seine Kräfte den Dienst. Er verbarg seinen goldenen Reichtum im Gipfel des Berges, um ihn bei besserer Gelegenheit an einen sichern Ort zu verbringen. Auf der Flucht wurde er von dem empörten Volk eingeholt und mit Knütteln und Äxten erschlagen.
Die Berggeister des Napfes aber betrachteten sich als die Erben des erschlagenen Tyrannen und bemächtigten sich des Schatzes. Sie schleppten die goldene Last in ihre unterirdischen Räume und formten in emsiger Arbeit einen goldenen Trämel daraus, den sie im Bergesinnern aufbewahren und sorgsam hüten.
Nur in heiligen Nächten öffnet sich der Berg, und die Bergleutlein schleppen ihren Schatz an seine Oberfläche. Im Dunkel der Nacht können die Bewohner des Napfberglandes das Gold in weitem Umkreis blinken sehen.
Das Heben des kostbaren Gutes ist aber mit grossen Schwierigkeiten verbunden und gelingt nur dem, der während des Aufladens und bis der goldene Trämel ganz aus dem Berg heraus ist, kein einziges Wort spricht. Schon manchem soll es gelungen sein, das eine Ende der kostbaren Last aufzuladen. Ging es aber zum Ziehen, so vergass der Fuhrmann das Gebot des Schweigens. Und jedesmal, auch wenn der Trämel schon zur Hälfte geborgen schien, schoss er beim ersten Wort mit Donnergepolter wieder in den Berg zurück.
Emmentaler Sagen, Hermann Wahlen, 1962 Gute Schriften Bern
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.