Weitab vorn rauschenden Verkehr der grossen Dörfer senkt sich der Talgraben von der Hammegg herab zum Tal der Emme.
Durch die Talfurche zieht ein wenig begangenes Strässchen sein helles Band durch Matten und Äcker, an schmucken Bauernhöfen und Weilern vorüber, und nebenher trollt sich in eigenwilligem Lauf das Bächlein. Tannendunkle Eggen umrahmen den stillen Talgrund.
Weit hinten im Talgraben liegt die Jegerlehnweide, auf der ein eigentümlicher runder Hügel von der rechten Talflanke in den Talgrund vorspringt.
Die Bewohner des Tales erzählen, dass sich darauf in altersgrauer Zeit die Burg eines schlimmen Tyrannen erhob, der in gottlosen Zornausbrüchen die härtesten Frondienste und schwerste Abgaben von seinen Untertanen forderte und auf diese Weise grosse Reichtümer anhäufte. Die Talleute fürchteten ihn und vermieden es ängstlich, ihrem Bedrücker zu begegnen.
Als der grausame Zwingherr sein Ende herannahen fühlte, versenkte er seine unermesslichen Schätze im finstern Verliess seiner Burg.
Nach des Tyrannen Tod erstürmten die Bauern die Burg und brannten sie nieder. In den Flammen kam auch das Burgfräulein ums Leben.
Seither wird der Burghügel, in dem die angehäuften Reichtümer liegen, beständig von zwei weissen Raben bewacht, und von Zeit zu Zeit erscheint, von ihnen begleitet, das Burgfräulein in schneeweissem Gewand.
Wer den verborgenen Schatz zu heben vermag, der gewinnt nicht allein unermesslichen Reichtum, sondern erlöst gleichzeitig die Hüterin von ihrem Bann. Noch keinem Sterblichen ist es aber bis auf den heutigen Tag gelungen. Immer wieder wurden die nächtlichen Schatzgräber von den beiden weissen Raben von ihrer Arbeit vertrieben.
Emmentaler Sagen, Hermann Wahlen, 1962 Gute Schriften Bern
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.