Der Schatz im Münnenberg

Land: Schweiz
Region: Emmental
Kategorie: Sage

Wer von Lützelflüh nach Sumiswald wandert, der erblickt ungefähr auf halbem Wege zur linken Hand den steil zum Tal der Grünen abfallenden Münnenberg. Vor vielen hundert Jahren soll dort oben ein stolzer Zwingherr auf seiner festen Burg gehaust haben. Noch heute heissen die beiden höchsten bewaldeten Kuppen der wahre und der falsche Zwingherr.

Im Innern des Berges, so erzählen alte Leute, soll ein mit Gold und Edelsteinen reich beladener Kristallwagen verborgen sein.

Nur einem Sonntagskind ist es vergönnt, das Deichselende des Wagens zu entdecken, das zu gewissen Zeiten aus dem Gewölbe hervorschaut.

Wer das Glück hat, vier makellose Schimmel, die alle zur gleichen Stunde geboren sind, zu einem Zuge zu vereinigen, der hat Aussicht, zu mitternächtlicher Stunde den kostbaren Schatz zu heben.

Einmal gelang es einem Bauern der Gegend, der ob dem fast lebenslangen Suchen selber weisshaarig geworden war, das seltsame Gespann zu finden. In einer mondhellen Nacht begab er sich ans Werk, den verborgenen Kristallwagen aus dem Berge herauszuführen. Ohne grosse Mühe gelang es ihm, den Wagen, dessen Deichselende aus der Bergkuppe herausschaute, zu bespannen. Nun aber folgte das schwerste Stück seiner Arbeit. Wie sollte er, ohne dabei ein Wort zu sprechen, sein Schimmelgespann zu gleichmässigem Ziehen antreiben? Zogen die Deichselrosse an, so legte sich der Vorspann zu wenig ins Geschirr.

Die Zeit verstrich, schon graute der Morgen. Nur wenig fehlte mehr, ein letzter kräftiger Ruck, und das kostbare Fuder wäre gewonnen gewesen. Aber umsonst mühte sich der Mann mit seinem Gespann, nie brachte er die Schimmel, die wohl Unheil witterten, zum gleichmässigen, vereinten Ziehen. Die Geduld des Fuhrmanns schmolz zusammen. Im Eifer brach er das Gebot des Schweigens und rief, halb ermunternd, halb im Zorn :

«Hü, i Gotts Name! » Doch wie ihm das unheilvolle Wort entfahren, zuckte ein Blitz aus der Erde hervor, erschlug das Gespann und riss den Kristallwagen in die Erde zurück. Der Fuhrmann aber erhängte sich aus Gram über den Verlust an einer Tanne.

Auch in der waldigen Kuppe der Staufenalp, in der Nähe des Dorfes Röthenbach, soll ein Wagen mit Reichtümern schwer beladen verborgen sein.

Schon mancher hat auch hier versucht, die verlockenden Schätze zu gewinnen, aber noch keinem ist es bis heute gelungen, sie zu heben. Noch jedesmal scheiterte der Versuch an der mangelnden Schweigsamkeit derer, die sich dartun mühten.

Emmentaler Sagen, Hermann Wahlen, 1962 Gute Schriften Bern

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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