Vor grauen Zeiten war auch im Emmental ein liebliches Zwergenvölklein heimisch. Tief unter der Erde, wo keine Sonne leuchtet, kein frischer Wind Kühlung spendet, noch der Mond durch den blauen Nachthimmel seine Bahn zieht, hausten sie in ihren prunkvollen Gemächern und geheimnisvollen Kammern. Auf heimliche Weise bereiteten sie Edelsteine und Diamanten, sonderten sorgfältig die edlen Metalle, wirkten den bunten Teppich der Blumen und bereiteten den himmlischen Tau. König und Königin dieser guten Erdleutchen, die den Frieden über alles liebten, und alles, was schön und gut ist, förderten, trugen Krönlein mit Karfunkeln und Diamanten. Ihre Hausgeräte verfertigten sie aus Edelmetallen und schmückten sie mit Edelsteinen, und alles glänzte wie die Sonne. In lauen Sommernächten kamen sie in ungezählten Scharen aus ihrem Versteck an die Erdoberfläche hervor, dahin, wo die Blumen lieblich duften und die Quelle am reinsten rieselt. Am Waldsaum schlangen sie ihre nächtlichen Reigen und tanzten bis der Hahn krähte.
Im Winter, wenn die Erde weiss und die Luft kalt ist, feierten sie ihre Feste in reinlichen Häusern frommer Menschen, die sie zuvor zum süssen Schlaf anhauchten. Wenn der erste Tagesschimmer die Luft durchzitterte, verschwanden sie lautlos und liessen ihren Segen und reiche Geschenke zum Dank zurück. Ihre besondere Aufgabe war, die guten Menschen vor Unglück zu bewahren und zu beglücken. Die Häuser der Bösen und Gottlosen aber mieden sie. Kein Wunder, wenn da, wo sie nicht die Wache hielten, Unglück über Unglück einkehrte.
Emmentaler Sagen, Hermann Wahlen, 1962 Gute Schriften Bern
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.