Einst hatten die Bürger der guten Stadt Luzern mit den Landleuten der Täler von Unterwalden nid dem Kernwald einen bösen Streit um eine Rechtsame am hochragenden Bürgenberg. Sie kamen immer mehr auseinander, also daß sie sich manches zuleid werkten, was unter getreuen, lieben Eidgenossen nie hätte geschehen sollen. Es kam so weit, daß sie tätlich aneinander gerieten, wo immer sie sich antrafen, und es war zu fürchten, daß zwischen den Luzernern und Nidwaldnern noch ein Krieg ausbrechen werde, was aber die andern Eidgenossen mit Schmerzen erfüllt hätte.
Da brach eines Tages im Jahre 1340 in der Stadt Luzern eine fürchterliche Feuersbrunst aus. Weithin rötete sich der Himmel, und der See hatte davon einen Widerschein wie eine feurige Platte. Erst nahmen es die Hirten von Nidwalden für ein außergewöhnlich schönes Alpenglühen, da eben die Sonne im Niedergang war. Doch als es nicht verschwinden wollte, meinten sie, es sei ein Zeichen vom Himmel und die Welt gehe nun unter. Doch bald vernahmen sie von ihren eilig an die heimatlichen Gestade fahrenden Fischern, daß die Stadt Luzern lichterloh brenne, daß alles ein Feuer sei.
Rasch taten sich die Nidwaldner zusammen, dann bestiegen sie ihre Nauen und fuhren, wohlgewaffnet, an die Stadt, über der ein gewaltiger Rauch stand.
Voll Entsetzen gewahrten die Luzerner im vergehenden Tag die eilig im vollen Waffenrust anrückenden Nidwaldner. Sie schlossen geschwind die Stadttore der brennenden Stadt und setzten alles wehrfähige Volk daran, das nicht mit dem Kampf gegen das Feuer zu tun hatte. Aber da erhob sich der Landammann der Nidwaldner in seinem Schiffe und rief den wachhaltenden Luzernern zu: "Liebe, getreue Eidgenossen! Euer Leid ist unser Leid. Wir sind hier, daß wir, soviel wir vermögen, euer Leib und Gut, Weib und Kind retten und euch eure brennenden Häuser löschen helfen, als wären sie die unsrigen." Da gingen die Tore weit auf, und mit Freuden ließ man die hilfsbereiten Nidwaldner in die arg bedrohte Stadt. Den vereinigten Anstrengungen der zwei Nachbarvölker gelang es auch bald, die gewaltige Feuersbrunst zu löschen.
Quelle: Meinrad Lienert, Schweizer Sagen und Heldengeschichten, Stuttgart 1915
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.