a) Am obersten Hang des Dünneten oder Schwarzgrat, der sich zwischen Schattdorf und Erstfeld aus der Ebene fast senkrecht zu einer Höhe von 2000 m.ü.M. auftürmt und das ganze Reusstal vom Rütli bis in die Schöllenen beherrscht, dehnt sich das mit Droslen und Zwergtannen bewachsene Wurmälpeli aus. Dahin soll vor alten Zeiten ein feuriger Drache durch die Lüfte »z'schiässädä chu sy« und sich daselbst niedergelassen haben. Sein feuriger, das heisst glühender, Leib verbrannte weit und breit die Droslen und Tannen zu Staub und Asche, und sein giftiger Odem erzeugte eine ansteckende, tödliche Krankheit im Tale. Alte Leute berichten noch heute, man habe da droben viele verkohlte Baumstrünke gefunden. Stadler-Hänsi, der etwa vor zwei Jahrzehnten gestorben, erzählte, sein Vater habe diesen Drachen gesehen, wie er vom Gitschen her quer durch das Tal gegen den Schwarzgrat hoch durch die Lüfte dahinschoss (es handelt sich vielleicht um jene Erscheinung, von der auch Landammann Bünti in seiner Chronik zum Jahre 1704 Erwähnung tut. S. XX. Hist. Neujahrsblatt von Uri 1914, S. 4). Auch Jeeris Nepperli, ein altes Weibervolk zu Bolzbach, hat ihn beobachtet und beschrieben: »Är hed ä Grind g'ha wiänni Heiwburdi und ä Schwanz wiänni grossi Nusslattä«. Seit jener Zeit heisst das Älpeli Wurm- oder Wuränälpeli.
Fr. Scheuber-Walker, 80 Jahre alt, Schattdorf, und a.
Man erzählt auch, es habe daselbst lange Zeit ein Lindwurm – vielleicht ist er mit jenem Drachen identisch – gehaust, und ein kühner Jäger habe ihn endlich erschossen. Leute, die nach Jahren an Ort und Stelle sein Skelett gesehen, behaupteten, seine Rippen seien so gross gewesen wie die Rippen einer grossen Kuh.
Magdalena Lusser, 80 Jahre alt, Erstfeld, und a.
b) Auch das Hohl-Loch zu Attinghausen soll eines dieser sagenhaften Tiere beherbergt haben.
c) Eine Person von Bauen, die sich lange in Frankreich aufgehalten, will ebenfalls einmal zur Nachtzeit in den ersten Tagen des August einen feurigen Drachen gesehen haben durch die Lüfte schiessen und behauptet, die Drachen hätten einen Karfunkel im Rachen, sonst wären sie unsichtbar.
Maria Ziegler, 60 Jahre alt
d) Die Drachen nähren sich von purem, lautern Gold; sie thronen auf Goldadern. Sie schiessen auf Felsen – Gnessi – los, die Gold enthalten, und diese spalten und öffnen sich vor ihrem giftigen Atem. Wo ihr Gift niederfällt, da entstehen ansteckende Krankheiten.
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.