Ein katholischer Geistlicher in Glarus stritt mit reformierten Laien über Glaubenssachen und verstieg sich sogar zu der grandiosen Behauptung, Martin Luther müsse in der Hölle braten. Das liessen die Glarner natürlich nicht gelten und forderten überzeugende, augenscheinliche Beweise. Da anerbot sich der Kühne, Luther vor die anwesende Gesellschaft zu zitieren. »Aber wenn er anklopft, müsst ihr ihm die Tür auftun.« Er nahm ein Buch und las darin. Da klopfte es an der Türe! Alle wurden totaschenbleich und schauten sich gegenseitig verlegen an; aber keiner wagte den Schritt zur Türe. Es klopfte wieder. Im Saal herrschte Totenstille. Es klopft zum dritten Mal. Da geht der Beschwörer selber, öffnet und lässt eine schwarze Gestalt herein, während er selber das Haus verlässt. Der Ankömmling trägt einen schwarzen Korb auf dem Rücken, den er umstürzt und auf den Boden ausleert. Da wälzt sich auf der Fussdiele eine brandschwarze Menschengestalt, die noch schwärzer ist als der gewiss auch nicht weisse Korbträger, Feuer speit und zwischen allen Rippen heraus brennt. Diese greuliche Gestalt erhebt sich und spricht: »Ich bin Martin Luther, der euch die falsche Lehre verkündet hat.« Nach langem ermannen sich die Zitternden und rufen: »Packe dich fort!« Aber der Geist wollte nicht gehen. Da holten sie den Beschwörer herbei. Jetzt verschwand die Erscheinung, hinterliess aber einen solchen Gestank, dass sich alle die Nasenlöcher zuhielten.
Im Reusstal nennt man statt Glarus das Berner Oberland.
Eine ähnliche Geschichte will eine achtzigjährige Erzählerin vor etwa einem halben Jahrhundert selber im Kt. Glarus miterlebt haben.
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.