Der Grasteufel

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Noch vor zwei Jahrzehnten konnte man im Beinhaus zu Unterschächen eigenartige Wandgemälde betrachten, die sieben Todsünden darstellend. In einem Gewölbezipfel neben dem Altar lauerte ein grasgrüner, langgeschwänzter Gottseibeiuns mit mächtigen Geissbockhörnern auf jene Unglücklichen, die sich mit der einen oder andern der bösen Sieben zu weit eingelassen hatten. Das war der Grasteufel. Es hat den Anschein, dass er zu den guten Teufeln gehörte, denn er liess es sich angelegen sein, allem Unfug auf dem Friedhof nach besten Kräften zu steuern, wie es die zwei folgenden Beispiele beweisen.

Einige Burschen hatten, wie es oft auch andernorts vorkommt, die böse Gewohnheit, während des sonntäglichen schuldigen Gottesdienstes auf dem Gottesacker herumzustehen, zu lachen und zu schwatzen. Ihre Gedanken waren überall, nur nicht bei der heiligen Handlung, die sich in der Kirche vollzog, und ihre Ohren wären wohl für eine lustige Tanzmusik empfänglicher gewesen als für das Wort Gottes, das von der Kanzel verkündigt wurde. Als diese leichtsinnige Gesellschaft wieder einmal während des Amtes auf dem Friedhof herumlungerte und sich in der Nähe des Beinhauses über den Grasteufel lustig machte, da ergriff ihn ein heiliger Zorn, und wie im Sturm fuhr er unter die Burschen, dass sie sich schleunigst in das schützende Gotteshaus flüchteten und seitdem das Herumstrolchen auf dem Friedhof zur Zeit des Gottesdienstes gerne genug aufgaben.

Ein anderes Mal hatte sich eine lustige Gesellschaft während der Predigt im Beinhaus selber niedergelassen und daselbst mit herbeigeschafften Getränken ein Gelage veranstaltet, wobei sie sich nicht enthalten konnten, dem Grünen höhnische Worte zuzurufen. Auf einmal aber fuhr die leichtfertige Bande wie eine Schar erschreckter Spatzen auseinander, liess Wein und Gläser stehen und floh über Kopf und Hals davon. Was geschehen, wollten sie nie verraten, aber von allen Gelüsten, je wieder im Beinhaus zu kneipen, waren sie gründlich geheilt.

Blasius Imhof, Daniel Imholz

Vor einigen Jahren wurde das Beinhaus renoviert, und der Weissler tauchte den berühmten Grasteufel in das Gewand der Unschuld, das ihm aber nicht behagte: er verschwand.

Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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