Früher belustigten sich die jungen Leute von Spiringen mit »Räggälä-läufä« (Wettlaufen?). Als Grenzpunkte galten der »Räggäli-Stei« und das Tanzhaus. Andere reden von »Räggälä-springä« von den Fuhren (Berggüter mehr als eine Stunde ob Spiringen) bis zum genannten Stein.
Dem Ratsherrn Franz Müller im Ebnet (18./19. Jahrhundert) stellte sich fast jedesmal, wenn er nachts von Altdorf her aus dem Rat geritten kam, beim Räggelistein an der Gasse unter dem Dörfchen Spiringen ein Weibsbild entgegen oder stand auf dem Stein, streckte ihm die Hand entgegen und begehrte, aufs Ross zu steigen. Er erzählte das endlich einem Geistlichen und erhielt von diesem die Weisung, er solle das nächste Mal die Hand ergreifen und das Weibsbild wirklich aufs Pferd nehmen, und wenn er mit ihm in drei Sprüngen das Schulhaus – früher Tanzhaus – erreiche, dann sei die arme Seele erlöst, denn um eine solche handle es sich. Er dürfe aber nicht vergessen, seine eigene Hand mit einem Tuch zu umwinden. Der Ratsherr folgte dem Geistlichen; er reichte dem Gespenst die rechte, mit einem Nastuch umhüllte Hand, es schwang sich zu ihm aufs Pferd, und in drei gewaltigen Sätzen erreichte der Ratsherr das gesteckte Ziel, das etwa 50 Meter vom Räggelistein entfernt ist. Doch vor dem dritten Sprung rollte etwas wie eine Decke vor dem Kopf des Pferdes herunter; es bäumte sich, doch der Reiter gab ihm die Sporen zu fühlen. Der Geist war erlöst. Es sei ein tanzsüchtiges Weibervolk gewesen, oder nach andern hatte es in seinem Leben aus Rache einen Menschen vergiftet oder beim »Räggälä-läufä« sich verfehlt.
Das hat man zu Spiringen immer behauptet, in dem engen Durchgang zwischen dem Schul- und dem Lehrerhaus sei es nicht geheuer. Alles Vieh, das hier durchziehen muss, sperrt und wehrt sich dagegen und muss mit Gewalt angetrieben werden, sei es bei der Alpfahrt oder bei der Abfahrt oder sonst, und wenn es den Durchgang passiert hat, schaut es nochmals zurück. »Jäh, das hend scho vill gseit und das ha-n-ich äu beobachtet. S'isch küriös!« beteuert mir ein ernsthafter Mann, der in der Nähe wohnt.
Der Räggelistein habe seinen Namen daher, dass ihn ein fahrender Schüler von dem eine ganze Stunde höher gelegenen Berggut Rägeli mit einem einzigen Sprunge erreicht habe. – Es wurde auch eine Katze beobachtet, die bei ihm hauste.
Joh. Gisler, Johanna Brücker-Arnold,
Zäzilia Gisler-Walker, Jos. Maria Arnold und a.
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.