Im Gitschenberg ob Seedorf hatte früher ein Gespenst gehaust, ein barfüssiges Wybervölchli in rotem Röcklein. Mit den Pächtersleuten – die Wiese ist Fideikommissgut – lebte es in Frieden; wollte im Gaden, wo es für gewöhnlich sich aufenthielt, eine Kuh kalbern oder hatten sich die Kühe in den Ketten verwirrt, so rief es den Leuten, redete aber sonst kein Wort. Fuhr der Bauer mit dem Vieh zu Boden, so kam das Wybervölchli auf das Egg hinaus und schaute ihm weinend nach, fuhr er im Frühling wieder auf, so jauchzte es ihm von der nämlichen Stelle aus lustig entgegen.
Es war eine arme Seele, und auch ihr schlug endlich die Stunde der Erlösung. – Das kam so. Eines Morgens erblickte der Pächter mit nicht geringem Schrecken seine Schweine hoch oben in der steilen Gitschenfluh, und bei ihnen stand niemand anders als das Müetterli im roten Röcklein. Da versprach er, den Kapuzinern einen Stein Anken zu bringen, wenn die Tiere wieder gesund und heil zurückkämen; sie zu holen wäre unmöglich gewesen. Und siehe! Das Müetterli brachte die Schweine unversehrt wieder durch die blanken Felsen hinunter bis zum Hause.
Als der Mann den Kapuzinern die Butter brachte, sagte ihm der Guardian, der Geist sei jetzt erlöst, er werde ihm entgegenkommen und ihm die Hand zum Abschied bieten wollen, er aber dürfe ihm die seine nicht reichen, sondern solle ihm ein Steinplättchen hinhalten. Und wirklich kam das Wybervölchli dem Bauer ein Stück weit den Berg hinunter entgegen, dankte ihm mit grosser Herzlichkeit und sagte, es könne jetzt zur Seligkeit eingehen. Dann reichte es ihm die Rechte, der Bauer hielt ein Steinplättchen statt der Hand entgegen, das Wybervölchli ergriff es und verschwand. Auf dem Steinplättchen war nachher die ganze Hand eingebrannt zu sehen.
Einem andern Pächter daselbst dienten zwei Geister, von denen der eine erwellte, der andere die Mutten wusch.
Frau Wipfli-Herger, Katharina Tresch-Gisler, Katharina Arnold
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.