a) Eine Mutter mit ihren Kindern machten eine Wallfahrt nach Einsiedeln, die sie versprochen hatten, um eine arme Seele in ihrem Hause zu erlösen. Auf dem Rückwege sah die Mutter in einem Wald prächtiges Tannkris und sagte zu den Kindern: »Da wollen wir Kris mitnehmen für einen Krisbesen.« Und sie sammelten davon und nahmen es mit. Da kam ihnen die arme Seele entgegen und »bewillkommte sie freundlich von Besenkrisen« (so hend alligs die Altä gseit), aber erlöst sei sie nicht. Sie machten später eine zweite Wallfahrt und kauften zu Einsiedeln allerlei Sachen ein, um denen zu Hause etwas zu kramen. Da kam ihnen die arme Seele wieder entgegen und »bewillkommte sie freundlich von Kramen«, aber erlöst sei sie nicht. Das dritte Mal, da sie leer von der Wallfahrt heimkehrten, kam ihnen die arme Seele freudig und ganz im Schneeweissen entgegen und »bewillkommte sie freundlich lächelnd von Wallfahrten« und sagte, jetzt sei sie erlöst, und verschwand. Wenn man eine Wallfahrt versprochen hat, so darf man nicht andere Geschäfte damit verbinden, und wenn man versprochen hat, zum Beispiel nach Einsiedeln zu »gehen«, so darf man nicht »fahren«.
Frau Mattli-Bissig, Bürglen, 80 Jähre alt.
b) Einer ging barfuss wallfahrten für eine arme Seele. Auf dem Heimweg, schon nahe seinem Hause, traf er einen Holzchnebel auf der Strasse; ökonomisch, wie er war, nahm er ihn mit. Da rief ihm die arme Seele, wenn er den Holzchnebel hätte liegen lassen, hätte er sie erlöst. Das zweite Mal kaufte er am Wallfahrtsort ein Gebetbüchlein für sich. Zu Hause rief die arme Seele: »Hättest du das Büchlein nicht gekauft, wärest du mir lieb.« Da kehrte er sofort um und machte eine dritte Wallfahrt, ohne etwas mit heim zu nehmen. Da rief die arme Seele, jetzt wolle sie ihm einen goldenen Sessel im Himmel grächen.
Frau Gisler-Arnold, Schächental
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.