Schon zweimal hatte sich ein reicher Herr, der auf einem Schlosse zu Hause war, auf der Jagd verirrt und hiebei ein Mandli getroffen, das auf einer Steinplatte sass, den Kopf vornüber auf die Hände gestützt. Beidemal nahm sich der Unbekannte des Verirrten an und brachte ihn nach Hause, ohne dass dieser sagen konnte, wie das geschah. Beim zweitenmal aber drohte der Geheimnisvolle dem Jäger, er solle schauen, dass er sich nicht mehr verirre, sonst könnte es ihm schaden. Dennoch verlor der reiche Schlossherr zum drittenmal den Weg und traf wieder das Mandli auf der Steinplatte. Das war aber ganz freundlich und brachte ihn wieder auf wunderbare Weise auf sein Schloss, sagte aber: »Dreimal habe ich dir geholfen, jetzt musst du auch mir helfen; lasse 100 heilige Messen für mich lesen, dann werde ich erlöst sein.« Der Jäger versprach es, und das Mandli verschwand. Als der erstere seinem Pfarrer die nötige Summe brachte, sagte dieser, er könne sie nicht annehmen, da er Stiftsmessen lesen müsse. Daher trug er sie in ein Kloster, wo man sie bedingungslos abnahm und zu besorgen versprach. Nach langer Zeit geriet der vornehme Herr wieder an des Mandlis Gnade, ohne zu begreifen, wie solches habe geschehen können. Das war aber böse und warf ihm vor, er habe sein Versprechen nicht gehalten. Er entschuldigte sich und erzählte, was er getan, und das Mandli sah ein, wo der Fehler liege. Es sagte, ihm sei bis dato noch gar nichts von den heiligen Messen zu Nutzen gekommen, führte den Jäger aber doch heim. In der folgenden Nacht jedoch verbrannte das Kloster mitsamt den Mönchen, und dem Herr wurde geoffenbart, jenes Mandli sei jetzt erlöst. Man mutmasst, es sei ein verstorbener Priester gewesen, der in seinem Leben Mess-Stipendien veruntreut habe.
Karl Gisler
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.