Wenn allemal ein gewisser Spiringer Bursche beim Z'stubätägah einem »Gädeli« zu Kipfen sich näherte, sah er an einem Gaden-Egg einen Mann stehen, der dann bei seiner Annäherung ums Gädeli herumging und sich durch die Türe in das Innere begab. Der Bursche wagte es nicht, ihm nachzugehen und dachte zuletzt, da miäss Rat här, und ging zu einem Geistlichen, dem er das Versprechen ablegte, das nächste Mal dem Unbekannten ins Gädeli hinein nachzufolgen und ihn anzureden. Bei Ausführung dieses Versprechens gestand ihm der an der Rischi stehende Geist: »Vor vielen Jahren bin auch ich einmal zu diesem Gädäli gekommen, und da habe ich gehört, wie drinnen das Vieh brüllte vor Hunger, und habe auch gewusst, dass der Besitzer sein Vieh aus lauter Geiz hungern liess. Ich habe Mitleid gehabt, bin hineingegangen und habe Heu aus der Rischi genommen und es dem Vieh zu fressen gegeben. Wie es scheint, hat ein Haupt zu viel bekommen und hat deshalb am folgenden Morgen zuviel gesoffen, woran es zu Grunde gegangen ist. Deshalb muss ich hier wandlen. Würde mir aber der Besitzer die Schuld schenken, so wäre das meine Erlösung!« Der Bursche gelobte ihm, den Bauer, von dem er wusste, dass er auf den Tod krank sei, aufzusuchen und mit ihm zu reden. Aber das heig »Hitz« gha! Der heigs gar nit wellä schenkä. Endlich aber gelang es doch dem Zureden des Geistlichen, ihn zu bewegen, diese Schuld zu schenken.
Theresia Gisler, 73 Jahre alt, Spiringen
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.