Vom Bockitobel erzählt das Volk, es sei mit armen Seelen von unten bis oben oder bis zum Alptürli hinauf dicht angefüllt, und wenn man nachts von Erstfeld her gegen Waldnacht hinaufsteige, höre man sie weinen und klagen. Vereinzelte wollen wissen, es seien böse Geister, ja sogar Teufel. Dass ihre Anzahl unermesslich sei, beweist auch die Sage, die ich jetzt erzählen will.
Ein Erstfelder Bäuerlein brachte seinem Pfarrer, der mit der Geisterwelt auf vertrautem Fusse stand und immer zum voraus sagen konnte, ob bald wieder eines seiner Pfarrkinder die Reise in die Ewigkeit antreten werde, den Zins. Der freundliche, leutselige Priester stellte ihm Käs und Brot und ein Glas Italiener auf, wie es eigentlich jeder richtige Zinsherr tun sollte, und ging dann ins Stübli, den Empfangsschein zu schreiben. Auf dem Tisch, an welchem der Bauer sass, lag ein grosses Buch, und das erregte seine Neugierde; er schlug es auf und blätterte darin; lesen konnte er nicht, denn es war lateinisch geschrieben, und er kannte mit Not die deutschen Buchstaben. Als der Pfarrer den Schein unterschrieben hatte, die Stüblitüre wieder öffnete und den Neugierigen in dem offenen Buche blättern sah, erschrak er heftig, denn er meinte, der Bauer habe darin gelesen. Hastig und aufgeregt rief er: »Was macht ihr da! Um Gotteswillen, nehmet eiligst einen Sack voll Reis, laufet und schüttet ihn ins Bockitobel hinunter!« Zum Tode erschrocken gehorchte der Bauer, und als er zurückkam, meldete er: »Es haben noch nicht alle ein Körnlein bekommen.«
Da mient äu nu äs Par gsy sy. Dz Platti Liesi sälig, das het vill vom Bockitobel b'brichtet! Wenn das nu läbti, das wisst-ech scho G'schichtäli z'verzellä!
Zacharias Zurfluh
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.