a) Es war sehr früh am Morgen, und der Mond leuchtete noch am Himmel, als dem Ratsherr Fedier aus dem Maderanertal, der nach Altdorf in den Rat wollte, beim St. Antoni zuäusserst auf Bristen eine vornehme Dame begegnete. Die rauschte in den Kleidern! Är hed-ärä dz Zyt agwyscht, aber si hed ems nit abgnu. Das tüed ä kei Geist, dz Zyt abnäh. Hierauf fragte er die Dame, woher sie komme und wohin sie wolle. Sie antwortete: »Ich komme von Mailand; vor fünf Minuten bin ich daselbst gestorben, und mein Leib liegt dort noch warm auf dem Totenbett. Ich habe in meinem Leben weder Hunger noch Durst, weder Hitze noch Kälte ertragen wollen, und jetzt muss ich auf den Hüfigletscher, um dort Busse zu tun.«
Peter Walker, Wassen
b) Spielart von Ursern: Jäger trifft in einsamer, wilder Gegend vornehm gekleidete Dame, die auf einem Steine sitzt. »Ich komme aus Ängäland und muss auf den Firn, weil es mir im Leben nirgends recht, da zu kalt und dort zu heiss war.«
M.A. Schmied, Hospental
c) Spielart vom Urnerboden: Älpler begegnet in der Schlieren-Teiffi, einer steinigen, unwirtlichen Gegend am Ostabstieg des Klausen, einer vornehmen Dame. »Ich komme aus dem Elsass, wo ich vor einer Minute gestorben. Muss hier wandlen, weil ich Hitz und Kälte nicht habe ertragen wollen.«
Franz Müller
d) Spielart von Hospental: Zu Wassen war eine Frau gestorben. Auf der Brücke begegnete sie dem dortigen Pfarrer und sagte, sie müsse auf den St. Annafirn gehen, um dort zu büssen. Äs syg-ärä-n-im Läbä niänä rächt gsy; syg ä bitzli chalt gsy, sä syg-ärä z'chalt gsy, und syg ä bitzli heiss gsy, sä syg-ärä scho wider z'heiss gsy. Ihrä Lyb ufem Totäbett syg nunitt erchaltet.
Anna Maria Müller, 76 Jahre alt, Hospental
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.