Im Wyler zu Gurtnellen stand noch vor wenigen Jahrzehnten ein uraltes Holzhaus an einer Biegung der Gotthardstrasse, das zwei Brüdern Tresch gehörte, von denen es ein Vetter mit dem hübschen Spitznamen »der Horäsager« erbte. Auf der Rückseite des Häuschens war ein kleines Gemach angebaut; niemand betrat es, denn es war, wie mir ein alter Mann sagte, von allen Seiten zugemauert. Ja, viele mieden es schon von weitem, denn es hiess, es sei darinnen ein Gespenst verbannt.
Vor alten Zeiten kam einmal, als gerade beide Türen des Hausganges in diesem Häuschen gegen einander offen standen, ein Fraueli des Weges, betrat das Haus und sagte zu den Inwohnern: »Ich komme aus den Niederlanden und muss wandern, bis ich von der Strasse aus durch ein offenes Haus hindurch wieder auf die Strasse hinaussehe. Wenn ich ein solches Haus treffe, darf ich mich darinnen niederlassen. Da dies hier zutrifft, so bleibe ich hier; ich habe das Recht dazu.« – Und es blieb nun da und hielt sich ruhig in einer Firstkammer. Man hörte und merkte nie etwas von ihm. Nur wenn schlechtes Wetter im Anzug war, hörte man zweimal die Kammertüre auf- und zugehen. Später kam ein anderer Besitzer in das Haus, und dieser liess das Gespenst bannen und einmauern.
Nach anderer Erzählart sagte das Fraueli, es habe das Recht, jedes Gebäude zu beziehen, wo man durch offene Lücken oder Fenster oder Türen von der einen Seite des Gebäudes auf der andern Seite wieder in das Freie sehe.
Das het der Horäsager mängisch gseit, mä sell niä immänä Hüsgang die zwee Hüstirä gägänand offä lah, susch cheemet diä armä Seelä-n-innä.
Johann Tresch, Paulina Brücker-Zwyssig und a.
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.