Gerne und fleissig nahm ein armes Fraueli von Gurtnellen, das für sich und seinen bequemlichen Mann arbeiten musste, an den Bittgängen und besonders an den Leichenbegängnissen Anteil, kam aber gewöhnlich zu spät. »Wenn ich einisch z'biärdigä bi, ich well de scho machä, sy miend si de nu der Wyl lah!« meinte es mehr als einmal. Nun ereignete es sich, dass dieses Fraueli bei der Bitzilücke, vom Schlage getroffen, zu Boden fiel und als Leiche im »grossen Hause« bis zur Beerdigung aufbewahrt wurde. Auch der Ehemann hielt Wache, erhob sich aber nachts gegen zwei Uhr, um in der »Kehlen« sein Vieh zu besorgen. Gegen vier Uhr war er damit fertig, kleidete sich an und begab sich abwärts, um die sterblichen Überreste seiner Gattin zur Pfarrkirche in Silenen zu begleiten. In Schnee und Dunkelheit verirrte er sich, geriet bei der »Stelli« auf die Fluh hinaus und fiel zutode. Statt mit der Toten den letzten Gang anzutreten, mussten die Gurtneller den Verirrten suchen, den sie auch, aber als Leiche, am Fusse des Felsens antrafen. So kam es, dass der Leichenzug Gurtnellen viel zu spät verlassen konnte und in Silenen ankam, als der Gottesdienst schon lange beendet war. Aber am Fusse jenes Felsens bei der Stelli hatte man es vorher öfters flennen gehört (19. Jahrhundert).
Johann Tresch
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.