Vor Jahren lebte in Menzingen ein altes, runzeliges Weiblein, welches aus dem Schwabenland stammte und von alt und jung nur s'Schwabenhudi genannt wurde. In den Bauernhäusern war es ein recht häufiger Gast und spann gern für die Gastgeber. Bei den kirchlichen Prozessionen und Leichenbegräbnissen wollte es stets die Letzte sein. Das Schwabenhudi soll aber mit dem Bösen im Bunde gestanden und sich mit der Schwarzkunst und Wahrsagerei abgegeben haben. Einst war es im obern Büeltli auf der Stör. Dort war ein lebenslustiges Jüngferlein zu Hause, das Ammili. Schon lange sehnte sich diese heiratslustige Jungfer nach einem malefizschönen und dukatenreichen Freiersmann. Das wusste nun das Schwabenhudi und versprach dem Ammili einen flotten Bräutigam, so es nur mit ihm kommen würde. Die Tochter ging auf den verheissungsvollen Vorschlag ein und folgte dem Schwabenhudi ins Lorzentobel. Dort sahen die zwei einen feinen, herrschaftlichen Wagen heranfahren, ein junger Mann in grauem Rock stieg aus dem Gefährte und hub die heiratslustige Jungfrau an auszufragen. Allein voll lauter Staunen vermochte das Ammili keine Frage zu beantworten und vor all der Herrlichkeit verlor die Bauerntochter das Bewusstsein und fiel in tiefe Ohnmacht. Zu Hause wurde die Tochter vermisst und die Verwandten suchten die Verschwundene. Die sorgende Mutter ging ins Lorzentobel und hocherstaunt fand sie ihr Kind zu oberst auf dem Dache der holzgedeckten Tobelbrücke sitzen. Wie das Ammili auf das Brückendach geraten war, konnte es aber später nie verraten.
Andere erzählen diesen eigenartigen Vorfall auf eine andere Weise: Im Lorzentobel sei das Ammili an einem bisher unbekannten Ort mitten unter eine bodenlustige Gesellschaft von tanzenden Leuten geraten. Die wunderschönsten Tanzkleider wurden der Tochter vorgelegt. Sie ging hin und zog diese an. Als man sie nun aufforderte, das Skapulier auch abzulegen, weigerte sich die Tochter aus Menzingen und die geschaute Herrlichkeit ging plötzlich ob dieser Weigerung in grauem Rauche auf. Die getäuschte Jungfer wurde am andern Tage entkleidet im Lorzentobel auf dem Brückendach gefunden.
Als das Schwabenhudi nach einiger Zeit wieder auf dem Bauernhof im Büeltli auftauchte, wurde es mit Schimpf und Schande fortgejagt. Es ging darum über Menzingen nach der Luegeten und voll Wut trug es in der dunklen Nacht das ganze Hausdach ab. Darauf wandte sie sich nach Kappel. Dort traf das Schwabenhudi ein kleines Kind auf der Strasse und gab ihm einen braunen Kuchen. Das Kind musste bald darauf sterben.
Seit jenem Vorfall vernahm man nichts mehr von dem rätselhaften Weiblein aus dem Schwabenlande; es hiess zwar lange Zeit, es komme den Kindbetterinnen vor die Fenster, doch hat niemand mehr das alte Schwabenhudi wirklich gesehen.
Quelle: Hans Koch, Zuger Sagen und Legenden, Zug 1955, S. 116
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.