Eigentümlicherweise erzählen die Alten auch vom wilden Treiben der Sträggelen in einigen Gemeinden des Zugerlandes. Die Sträggelen stammte eigentlich aus dem Entlebuch. Dort führte sie ein ganz unweibliches Leben und ging sogar an Sonntagen auf die wilde Jagd. Sie wurde dann auch zur Strafe vom schwarzen Türst geholt und muss nun zur Strafe in sternhellen Winternächten mit wildem Hundegebell durch die Wälder und Felder streifen.
Wenn in der Fronfastenzeit durch eine Waldschlucht herab ein seltsames Rauschen entsteht, heisst es in Risch, die Sträggelen sei wieder im Land.
Um nachlässige Töchter zum Spinnen anzueifern, drohte man in Hünenberg mit dieser unseligen Jungfer: "Wer im Spätjahr bis zur weihnachtlichen Fronfasten nicht zehn Haspleten Garn gesponnen hat, den holt todsicher die Sträggelen".
In der Gegend von Cham hatte eine währschafte Bauersfrau eine hübschfeine Tochter. Sie hatte aber einen Riesenfehler, denn sie schaute mehr in den Spiegel als auf ihr leider verstaubtes Spinnrad. Die Mutter drohte und schalt: "Ganz sicher wird bei uns noch die Sträggelen Einkehr halten". Als wieder das Spinnrad feiern musste und die eitle Jungfer vor dem Wandspiegelein stund, rief voll Entrüstung die Mutter: "Heute abend muss dich die Türstbraut, die Sträggelen holen!" Die Tochter lachte ungläubig auf.
Die Bäuerin hatte inzwischen mit dem Knecht eine Abmachung getroffen. Er soll am Fensterladen klopfen und sie werde dann die Tochter zum Fenster hinausschieben. Es hämmerte darauf ganz leise an dem Fensterladen. Unter fürchterlichem Zeter und Mordioschreien schob die Mutter die faule, spiegelsüchtige Tochter zum Fenster hinaus in die Arme des vermeintlichen Knechtes. Kaum war das Fenster wieder geschlossen, als es erneut am Fensterladen klopfte und eine Stimme nach der faulen Spinnerin verlangte. Die Mutter riss erschrocken das Fenster auf und frag den erstaunten Knecht, ob er die Tochter denn nicht schon vorhin in Empfang genommen habe. Dieser aber wusste von nichts.
Beide hatten sich vor Staunen noch nicht erholt, als aus den Lüften ein herzdurchdringender Schrei ertönte. Die Sträggelen hatte wirklich die Bauerntochter geholt. Am andern Morgen fand man vor dem Hause die abgerissenen Zöpfe der müssigen Spinnerin.
Quelle: Hans Koch, Zuger Sagen und Legenden, Zug 1955, S. 80
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.