a) Wenn man von Seelisberg her gegen Bauen kam, so folgte einem über das Schwändlental, das hier die Grenze zwischen Bauen und Seelisberg bildet und wo sich dann und wann Erdschlipfe loslösen, eine graugekleidete Frau bis zum Chripfeli, das auf der Nordseite der Gasse an einer Tanne hängt; weiters zu gehen, hatte sie nicht das Recht. »Wenn wir Kinder«, so fügt die Erzählerin bei, »von Wyssig oder Seelisberg her heimkamen, fragten sie uns zu Hause: »Hesch d'Fraiw g'seh nachächu im Schwändlätall?««
b) Auf der Südseite des genannten Tälchens quillt zeitweise ein geringes Brünnelein; daneben ist eine kleine G'hirmi und da sah man hie und da »Eines« sitzen, das aber kein gewöhnlicher, lebender Mensch war.
c) Das Chripfeli liess einmal der alte Franz-Sepp Truttmann im Rütli von der Esche, an welcher es ehemals gehangen, abnehmen und an eine Tanne auf der Südseite der Gasse in seinem Gut Heimigen aufhängen. Die alte, morsche Esche fällte er. Da wurde er krank und musste einen ganzen Winter das Bett hüten; ja, er kam so weit zurück, dass man ihn mit den Sterbesakramenten versah. Aber kein Doktor konnte die Krankheit erkennen. Als er aber im Frühling das Chripfeli wieder auf der andern Seite des Gässchens an einem Tännchen anbringen liess, da wurde er fast plötzlich gesund.
»Jä, das isch de wahr, da mag ich mi de ganz güet b'sinnä«, versichert meine Erzählerin.
Maria Ziegler
Auch die Pfaffenkellerin fuhr oft mit furchtbarem Oweh-Geschrei durch das Schwändlental hinunter.
Johann Aschwanden
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.