Zwei Brüder Wipfli von Erstfeld haben im Weidli in der Rynächtgegend ihr Vieh besorgt und sind im Begriffe heimzugehen. Da sehen sie zwei Gestalten, Weibervölker, wie sie meinen, von unten herkommen, und es sagt der eine zum andern: »Gang du afigs, dü värchunnsch da Gspanä, ich chumä bald nachä.« Dieser gehorcht, und da die Gestalten am Gädemli schon vorbeigehuscht, beschleunigt er seine Schritte, um sie einzuholen. »Die hesch du bald b'sogä«, sagt er sich. Aber trotzdem er sich wacker sputet, sind sie doch beständig so 10–20 Schritte von ihm entfernt. Vor dem Hofstetten-Steg denkt er: »Ähä, jetzt hesch es de!« Kaum gedacht, haben sie die Brücke hinter sich. Beim Türli zu Hofstetten ist er ihnen so nahe gerückt, dass er auf sie losschiesst und sie packen will. Doch halt! Er greift ins Leere, und die zwei Rätsel sind ihm um 20 Schritte voraus. Endlich zu Niederhofen holt er sie ein, will an ihnen vorbei springen und ihnen ins Angesicht schauen. Doch wie er den Anlauf nimmt zum Sprunge, sind sie auch schon wieder fort. Ohne sie eingeholt und erkannt zu haben, betritt er sein Haus, das am Wege steht. Es waren unbestimmte menschliche Gestalten, er wusste nicht, ob Mannen- oder Weibervölker, doch schienen sie ihm eher das letztere zu sein (19. Jahrhundert).
Martin Wipfli
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.