Unser Vater († 1923, 84 Jahre alt) – das hat er oft erzählt – schaute eines Abends nach den Zicklein des Nachbars aus und stand dabei auf dem Riggäport zu Gufern, Maderanertal. Da erblickte er in einiger Entfernung im sogenannten »hählä Schachä« bei einem Stein die Gestalt eines Kuhhirten, den Stock mit beiden Händen hinten am Rücken festhaltend, in grauwollener Kleidung, mit grauem Hut, die Hosen bis zu den Knieen hinaufgelitzt. – Er sah alles ganz deutlich. – Der ging dreimal um den Stein herum, dann weiter, sprang – es war, wie wenn er fliegen würde – über den Sydenbach. Der Vater folgte ihm eine Strecke weit; dann wandte sich die Erscheinung wieder um und kam dem Vater entgegen. Der Vater ging nun nach Hause; er merkte, dass ihm der Unbekannte folgte bis zur Brücke. Nachdem der Vater zunacht gegessen, suchte er sein gewohntes Lager auf und schloss die Hüttentüre. Nachts erwachte er; es kam Einer und lüpfte die Falle, ging dann dreimal um die Hütte herum, warf noch etwas an die Hüttentüre, das tönte wie eine dürre Kuhhaut, kam in die Hütte herein und stieg die Leiter hinan auf die Ruossdiele und warf sich dort geräuschvoll auf den Boden. Jetzt entschlief der Vater. Am nächsten Morgen hatte er alles vergessen und ging an die Arbeit; als er am Abend heimkam, fiel es ihm wieder in den Sinn. Er ordnete sein Bett und fand darinnen – zwei Tuolen im Nätsch! Neben ihm muss also jener Geist geschlafen haben; denn die zwei Tuolen waren nebeneinander und deutlich von einander geschieden.
Fr. Imhof-Tresch, 52 Jahre alt.
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.