1. In einem einsamen, entlegenen Berggütlein zu Attinghausen wohnten drei unheimliche Weibervölker. Bei ihnen kehrte eines Abends ein armer Fremdling ein und bat um ein Obdach für die Nacht. Sie boten ihm den Obergaden an, verheimlichten aber nicht, dass alle, die da schon übernachtet, getötet worden. Er fürchte sich nicht, meinte er und machte sich's im dürren Heu bequem. Dreimal betete er:
I leggä mich i Gottes Kraft,
I leggä mich i Gottes Allmacht,
I leggä mich i das gettlich rosafarwene Blüet,
Dass mich dië heilig Dryfaltigkeit dise Nacht a Lyb und Seel behiëtä tüet,
B'hiët mich Gott vor der hellischä Glüet,
(oder: »Dass miër kei beesä Find, kei beesä Geist kei Schadä tüet«).
Dann entschlief er ruhig und zuversichtlich
Um Mitternacht weckte ihn ein Geräusch und hörte er die Stimmen der drei Weibervölker hinter dem Gaden. Er guckte durch einen Spalt im Heutor hinaus und sah die drei unten an der Leiter. Das erste setzte seinen Fuss auf die Leiter und stieg drei Stufen aufwärts; dann hielt es inne und sagte: »Ich kann nicht mehr weiter, er liegt unter der Kraft Gottes,« und kehrte zurück. Das zweite erreichte die vierte Sprosse und wandte sich dann um, indem es klagte: »Ich kann ihm nichts antun, er liegt unter der Allmacht Gottes.« Das dritte hatte den obersten Seigel erklommen, als es umkehrte mit den Worten: »Wir können ihm keinen Schaden antun« er liegt ganz im göttlichen, rosafarwenen Blut«. Am nächsten Morgen fand der fromme Übernächtler die drei Hexen im Keller gehenkt und geschunden.
Ferd. Dubacher, 30 J. alt.
2. Nach anderer Erzählart kamen um Mitternacht der Teufel und eine Anzahl Hexen in den Untergaden; die Hexen erzählten ihrem Meister rühmend, was sie tagsüber für Arbeit geleistet. Nur eine beklagte sich, sie habe den im Obergaden töten wollen, aber es sei unmöglich gewesen, er liege nämlich in Gottes Kraft, in Gottes Allmacht, in Gottes rosafarwenem Blut. (Schluss unbekannt).
Barbara Gisler, 90 J. alt.
3. Drei Jäger übernachteten im Spätherbst im Meiental in einem einsamen Gädemli. Da machte einer den Vorschlag, sie wollten etwas miteinander beten, aber erst auf sein eindringliches Zureden machten sie mit. Sie verrichteten obiges Gebet. Um Mitternacht kamen drei Geister (wie oben unter 1.) »Das het allimal dië alt Gregoränä vo Meijä vor eppä 50 Jahrä z'Intschi hinnä v'rzellt«.
Frz. Jos. Zurfluh, 75 J. alt, Intschi
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.