Auf einer Alp, ich weiss nicht sicher, ob es Blüemlisalp war, starb einst ein Knecht, der in seinem Leben entsetzlich geflucht und gezankt hatte. Seitdem wollte es da keinen Knecht mehr »tohlä; äs het jedä v'rderbt«.
Da kam einst ein Bettler und bat um ein Almosen. Der Bauer fragte ihn, ob er nicht in seiner Alp dienen möchte, doch bekannte er alles, denn belügen wollte er auch den Bettler nicht. Dieser nahm das Angebot an und stieg furchtlos und unverzagt zu Alp. Eines Abends, da er zu erwellen begann, gesellte sich ein Unbekannter zu ihm ans Feuer und schaute ihm schweigend zu. Er ging nicht mehr fort, sondern schlief beim Knecht in seinem Bette, ohne ihn zu berühren, und sass mit ihm am Tische, ohne zu essen. Später unterstützte er ihn bei der Arbeit, begleitete ihn zum Nidler, trug jeweilen seine Mutte Milch zum Alpkessel und schüttete sie hinein, schürte das Feuer, trieb den Ankenkübel, machte den Ziger und half die Käse salzen im Käsgaden. Bei allen diesen Hantierungen blieb sein Mund stumm wie ein Grab. Der Senn, der als frommer, gottesfürchtiger Mann jeden Fluch sorgfältigst mied, dafür aber das Gebet pflegte, gewann den Geheimnisvollen mit der Zeit recht lieb, und da er merkte, dass es ein Geist sei, redete er ihn an und fragte, was ihm fehle, und wie ihm könne geholfen werden. Jetzt kam der Alpgeist zur Sprache und eröffnete dem Alpknecht: »Wisse, deine Vorgänger habe ich getötet, weil sie geflucht, gezankt und wüst gelebt haben. Du aber hast gebetet, und darum konnte ich dir nichts antun. Du kannst mich erlösen, wenn du zu beten fortfährst und auch für mich jeden Tag einen Rosenkranz betest.« Das tat der Knecht, und im nächsten Sommer erschien sein gespenstiger Gehilfe nicht mehr.
Nikolaus Albert, 80 J. alt, Seedorf
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.