Das war im Winter, anfangs der achtziger Jahre. Des Rütti-Ratsherrn Büebli auf Arni, namens Vinzenz, sollte der Mutter eine Windel holen, welche sie gar nicht weit vom Hause entfernt aufgehängt hatte. Es kam nicht mehr zurück. Zwei Tage lang suchten es die Angehörigen und Nachbarn und teilten die Sache endlich dem Pfarrer von Silenen mit. Dieser meinte, sie sollten noch einen Tag suchen, und dann, falls es zum Vorschein komme, ihm ein Zeichen geben. Man sieht ja vom Pfarrhof in Silenen grad auf Arni hinauf. Sonst werde er dem Kinde läuten lassen. Doch am Abend des dritten Tages, als der Pfarrer schon dem Sigrist wollte den Auftrag geben, dem verlorenen Kinde zu läuten, erblickte er das Zeichen auf Arni. Das Knäblein wurde bei einem Ronen oder unter einer Tanne in der Hell (Name eines Gutes) gefunden und gab zur Auskunft, ein schwarzer Mann habe es genommen und dorthin geführt, sei bei ihm geblieben und habe es gewärmt. Es habe keinen besondern Hunger. Vinzenz lebt noch.
Ein naher Verwandter erzählt so: Der etwa fünf-bis sechsjährige Bub tränkte abends die Kühe nahe beim Stall. Als ihn die Angehörigen riefen, war er nirgends zu finden. Sie suchten ihn bis in die Nacht hin ein und sahen nirgends eine Spur von ihm. Es war im Winter und hatte Schnee. Am nächsten Tage ging der Vater nach Silenen hinunter zum Pfarrer. Als er heimkam, war der Bub wieder da. Sie hatten ihn nahe beim Hause zwischen zwei grossen Steinen gefunden. Der Bub sagte: Ein grosser Mann mit schwarzem Gesicht und schwarzen Kleidern sei gekommen, als er das Vieh tränkte, habe ihn beim Arm gepackt und gesagt: »Komm mit!« Er habe geantwortet, er könne nicht kommen. »Du musst«, sagte der Mann, nahm ihn und stand die ganze Nacht bei ihm. Der Bub spürte weder Kälte noch Hunger oder Durst. Die Suchenden seien oft ganz nahe an ihm vorbeigegangen; er habe nicht rufen können. Merkwürdig, dass weder der Bub noch der schwarze Mann im Schnee eine Spur hinterliessen.
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.