Irreführende Geister

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

1. Auf der alten Strasse zu Seelisberg gegen Emmetten hat es oft nächtliche Wanderer verführt, dass sie die ganze Nacht hindurch marschierten, ohne zu wissen, wo sie sich befanden, und wenn es am Morgen zu beten läutete, standen sie auf dem Punkte, von wo sie in die Irre geführt worden.

Frau Zgraggen-Aschwanden in Seedorf, 80 J. alt.

2. Peter Aschwanden von Altdorf, Pferdeknecht, sucht eines Morgens vor Betenläuten den gewohnten Pferdestall auf, um die Pferde zu hirten. Es ist Nebelwetter, aber er kennt den Weg wie seine Hosentasche. Da kommt ein Lichtlein entgegen, macht unmittelbar vor Peter kehrt und geht ihm voraus. Er folgt ihm unwillkürlich nach, marschiert und marschiert unaufhaltsam drauflos, ohne den Stall zu finden, den er doch in zehn Minuten hätte erreichen sollen, und ohne zu wissen, wo er sei, bis er nach mehr als einer Stunde auf der Seedorfer Reussbrücke, etwa 15 Minuten von seinem Hause entfernt, beim ersten Klang der Betglocke sich zurechtfindet.

Frau Braun-Münsch; Peter Aschwanden

3. Irregeführt hat es recht oft die Leute im Gurtamund und im Stoffel zu Altdorf, und im Gälletzacher sahen nächtliche Wanderer ein Licht an der Mauer zu oberst in der Matte, und wenn sie hingingen, war es wieder zu unterst in der Matte, und so narrte es sie hin und her. Das soll denn nur eine Wahrheit sein.

Jakob Hartmann, 80 J. alt, u.a.m.

4. Bei den »drei Gädmern« in Altdorf, am Fusswege nach Seedorf, wollte eine Frau bei Einbruch der Nacht noch in den Stall gehen, um Nachschau zu halten, während die Angehörigen sich schon in das Bett legten. Mit der Laterne in der Hand verliess sie das Haus; draussen fühlte sie auf einmal etwas hinter ihrem Rücken, das sie wie mit kalter Hand an der Seite berührte, und von diesem Augenblicke an wanderte sie die ganze Nacht hindurch, ohne je den Stall zu finden und ohne je zu wissen, wo sie sei. Gegen Morgen befand sie sich jenseits der Reuss in einem Ried, wo gerade die Seedorfer fröschneten und sie zurechtwiesen. Als sie wieder auf dem Heimweg war, kamen ihr die Eignen entgegen und suchten sie.

Kath. Gisler-Müller, 70 J. alt.

5. Dass überhaupt die ganze Umgegend bei der Rütti und Hostet am vordern Mühlebach gespenstig, beweist auch das folgende Erlebnis:

Riedliger Thadees Mariä in der Hostet wollte des Abends spät zum Stalle, der nicht weit vom Hause entfernt ist. Er fand ihn aber nicht, wanderte die ganze Nacht hindurch ohne Ruhe und Rast und ohne je zu wissen, wo er sich befand, und als es am Morgen zu Spiringen zu beten läutete, stand er zu Hergerig auf der Bsetzi vor Ratzigers Gaden, kaum fünf Minuten von der Hostet entfernt. Erst jetzt war der Bann gebrochen.

Mitget. v. Pfr. Jos. Arnold

Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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